hr2 ZUSPRUCH
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Biester, Claudia

Ein Sendung von

Evangelische Pfarrerin, Bad Homburg

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Wenn etwas dazwischen kommt

Ein normaler Freitagvormittag im Büro. Laptop auf, Termine, E-Mails, Telefon, der Kopf ist voll. Dann sehe ich es: ein Eichhörnchen direkt vor meinem Fenster. Es hüpft über den Ast des Kirschbaums. Zielsicher, flink und verspielt. Immer dieselbe Route: vom unteren Ast hüpft es auf den oberen, dann rüber zum Nachbarbaum. Es bleibt kurz sitzen, schaut sich um, dann weiter im Sprung.

Ein Eichhörnchen durchbricht die Hektik

Ich kenne es schon, es ist öfter da. Manchmal hat es eine Nuss dabei, manchmal hält es unterwegs inne, aber immer scheint es genau denselben Weg zu hüpfen. Eichhörnchen-Routine. Offenbar ist ihm das nicht langweilig. Es wirkt im Gegenteil so fröhlich!

Wie oft laufe ich selbst wie ein emsiges Eichhörnchen herum?

Ich seufze ein bisschen. Wie oft laufe ich selbst wie ein emsiges Eichhörnchen meine eigenen Routine-Ast-Wege entlang? Den Alltag rauf und runter. Morgens vom Bett in die Küche, um einen Kaffee zu kochen, ins Bad, dann ins Auto, ins Büro. E-Mails, Termine, Anrufe, Post. Und: alles ist furchtbar wichtig. Dann zurück nach Hause. Dieselben Wege, dieselben Routinen.

Unterbrechungen können guttun

Manchmal wäre eine Unterbrechung schön, einfach mal etwas anderes. Ein bisschen zurücktreten, Wichtigkeiten sortieren. Und dann kommt da so ein kleiner Gast in das Blickfeld vor dem Fenster und führt mir Routine vor Augen und Unterbrechung – beides auf einmal – auf sehr fröhliche Weise.

Für mich passt dazu die Geschichte von Maria und Martha aus dem Neuen Testament. Wohl auch, weil es um Routinen und Erwartungen, um Rollenbilder geht und auch, sie zu durchbrechen. Es geht um das Haus von Martha und Maria. Jesus kommt zu Besuch. Martha ist total beschäftigt, sie will alles richtig gut machen als Gastgeberin und wohl auch als Hausfrau, sie arbeitet sehr viel. Maria dagegen lässt sich unterbrechen, sie lässt alles stehn und liegen, als der Besuch kommt. Sie setzt sich einfach zu Jesus. Unterhält sich mit ihm. Jesus reagiert darauf. Er sagt nicht, dass Arbeiten falsch ist, aber er findet gut, dass sich Maria unterbrechen lässt. Weil sie den Moment erkennt, ihm begegnet, sich Zeit für ihn nimmt. (Lukas 10,38–42).

Die Kunst liegt darin, das Normale mit anderen Augen zu betrachten

Es geht nicht darum, sich nach dem Außergewöhnlichen zu sehnen. Die Kunst liegt darin, das Normale mit anderen Augen zu betrachten. Nicht nur nach dem freien Tag, dem Urlaub oder dem großen Aufbruch zu suchen, sondern die kleinen Hinweise zu bemerken, die mitten in der Routine auftauchen.

Das Eichhörnchen am Fenster ist so ein Hinweis. Es unterbricht nicht den Tag – es schreibt sich hinein. Das Leben ist viel mehr als das, was wir erledigen, sondern auch das, was uns begegnet. Was sich zeigt.

Ich möchte mir häufiger diese unterbrechenden Momente erlauben

Es ist die Haltung von Maria in der biblischen Geschichte: Sie rechnet damit, dass etwas Besonderes geschehen könnte; ist innerlich bereit, sich berühren zu lassen. Wenn ich mal wieder auf Autopilot durchs Leben laufe, will ich mich daran erinnern. Und mir Momente erlauben, zu schauen, was mir begegnet. Das Leben, wie gut!, hüpft manchmal überraschend über Routinen hinweg. Es unterbricht, wenn ich mich unterbrechen lasse.