hr2 ZUSPRUCH
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Müller-Langsdorf, Sabine

Eine Sendung von

Evangelische Pfarrerin, Zentrum Oekumene, Frankfurt

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Ein Himmel voller Rosen

Einen blauen Himmel voller roter Rosen: Das gibt es im Deckengewölbe der kleinen Inselkirche auf Hiddensee. Ich habe gestaunt über diese ungewöhnliche Ausschmückung einer Kirche. Keine Heiligen, keine frommen Sprüche, sondern mehr als eintausendzweihundert Rosen, gemalt auf das schlichte Tonnengewölbe aus Holz.

Mir entlockte diese Kirchendecke ein Lächeln. Und auch andere Leute haben sich gerne in eine Kirchenbank gesetzt und einfach geschaut, nach dem Himmel voller Rosen.

Ein Schatz aus mageren Zeiten

Der die Decke bemalt hat vor mehr als einhundert Jahren, dessen Leben war nicht nur auf Rosen gebettet. Der Maler Nikolaus Niemeier war aus dem ersten Weltkrieg mit einem zerschossenen Bein zurückgekommen, auch mit düsterem Gemüt über die Gewalt in der Welt. Die Zeiten waren mager nach dem Krieg. Der Maler hatte kaum Aufträge, Bilder waren schon gar nicht gefragt. Also bemalte er Möbel oder die Innenräume von Hotels oder Schulen.

Ein gemeinsames Werk der Inselbewohner

Inflation und Arbeitslosigkeit prägten auch den Alltag der Inselbewohner und der kleinen Kirchengemeinde auf Hiddensee. Geld für eine neue Kirchendecke war nicht da.

Nikolaus Niemeier bot an, die Decke kostenlos auszumalen. Die Gemeinde nahm das großzügige Angebot dankend an. Die Fischer stellten die großen Pfähle der Heringsreusen zur Verfügung. Damit konnte ein Gerüst zur Bemalung gebaut werden. Ein Gutspächter lieferte umsonst Vollmilch. Die war nötig zur Herstellung der Kaseinfarbe. In nur wenigen Wochen und aus der Hand gemalt wurde das Gewölbe der Inselkirche zu einem Rosenhimmel.

Rosen gegen das Dunkle und Schwere

Der Maler Nikolaus Niemeier setzte ihn gegen das Dunkle und Schwere seiner Tage. Blumen waren ihm Sinnbild für Schönes und Beständiges. Dem „an und für sich schweren Leben“ - wie er sagte - wollte Niemeier mit Freude und Leichtigkeit begegnen.

Ein Trost bis heute

Der schöne Rosenhimmel tröstet Menschen offenbar bis heute. In der Kirche auf Hiddensee saß ich jedenfalls nicht alleine in der Kirchenbank. Immer wieder kamen Leute, staunten über die Rosen und das Blau, hoben den Blick oder richteten ihn nach innen. Wurden ruhig und fanden für einen Moment Stille. In einem kleinen Buch zu dem Maler des Rosenhimmels auf Hiddensee habe ich später gelesen: „Für Niemeier war die Stille vielleicht die größte Nähe zu Gott, über den er sonst nicht viele Worte machte.“