Das Kind mit dem Ballon
Gesprochen von Pfarrerin Claudia Rudolff
Der kleine Junge weint herzzerreißend. Er ist vielleicht vier Jahre alt und steht auf dem Bürgersteig an der Hand der Mutter. Sein kleiner Körper zittert förmlich. Er schreit nicht; er weint einfach. Denn: sein Luftballon ist ihm weggeflogen.
Beim Niesen lässt er den Ballon los - unabsichtlich
Eigentlich hatte er ihn fest in der Hand, wie die Mutter es ihm gesagt hat. Dann aber musste er plötzlich niesen. Die eine Hand hält seine Mutter fest, die andere aber hat er nicht mehr unter Kontrolle. Es schüttelt ihn kurz beim Niesen. Dabei öffnet sich seine Hand mit dem Ballon. Unabsichtlich.
Auf Nimmerwiedersehen verschwunden?
Und dann fliegt er davon, der Luftballon. Auf Nimmerwiedersehen. Denkt der Junge. Stimmt aber nicht. Der Ballon fliegt erst eine Hauswand hoch. Der Junge weint und sieht davon nichts mehr. Dann bleibt der Ballon nämlich hängen. An einem Balkon im dritten Stock. Da steht der liebe Gott und sieht alles.
Der Retter des Ballons
Nein, so natürlich nicht. Da steht ein älterer Mann, der alles sieht und dem vielleicht auch gerade das Herz bricht. Er beugt sich vorsichtig über die Brüstung seines Balkons und nimmt den Ballon in seine Hand. Dann verschwindet er ins Zimmer hinter ihm. Nach ein paar Minuten tritt er unten durch die Haustür auf die Straße. Der Junge wimmert immer noch und sieht nichts. Die Mutter will ihn trösten. Das gelingt ihr nicht. Trost ist aber trotzdem da. Und jetzt sogar direkt hinter ihnen.
Da ist nämlich der Mann aus dem dritten Stock, etwas außer Atem. Der beugt sich ein bisschen herunter zu dem Jungen und gibt ihm den Luftballon. Der Junge kann es kaum glauben. Erst ist er verblüfft und ganz still, mit offenem Mund. Dann aber strahlt plötzlich sein Gesicht. Er sagt nur: ‚Danke‘. Und schaut sich um, wie dieses Wunder wohl geschehen konnte.
Wunder geschehen einfach
Es geschieht einfach. Erst ist der Ballon weg; dann ist er wieder da. Weil Gott in der Nähe ist. Weil ein älterer Mann wohl keine Tränen sehen kann, schon gar keine von Kindern. Der Mann ist aufmerksam. Und wenn Gott nicht selber kommen kann, hat er oft seine Leute. Manchmal schon an der nächsten Ecke. Oder auf einem Balkon.