hr2 ZUSPRUCH
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Reuter, Eva

Ein Sendung von

Katholische Pastoralreferentin, Betriebsseelsorge im Bistum Mainz / Regionalstelle Rheinhessen

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Blessed, gesegnet

Vor mir im Bus sitzt eine junge Frau. Sie hat den Kopf gesenkt und ihre langen Haare fallen nach vorne, so dass ich ihren Hals sehen kann. Und was ich da sehe, bringt mich zum Nachdenken. Auf dem obersten Wirbel der Wirbelsäule ist ein Tattoo: „blessed“ steht dort in geschwungenen Buchstaben, „gesegnet“.

Die junge Frau ist immer gesegnet

Ein Tattoo ist ja grundsätzlich etwas für die Ewigkeit, es geht nicht mehr weg – zumindest nicht mehr so einfach. Tattoos im Allgemeinen sind Geschmacksache und ich persönlich habe keins, aber dieses „blessed“ fasziniert mich.

Als Christin bin ich überzeugt: Jeder Mensch ist gesegnet! Segen kommt vom lateinischen „benedictio“ und das bedeutet übersetzt „gutgesagt“. Ich bin überzeugt, dieses „Du bist gut“ bleibt Gottes Zusage für jeden Menschen sein Leben lang.

Auch wenn ich den Segen nicht sehen kann, ist er da. Wie die junge Frau das Tattoo auf ihrem Hals auch nur sehr selten und nicht direkt sehen kann – sie weiß, dass es da ist. Dieser Gedanke gefällt mir.  

Auch andere Menschen können es sehen

Und mir gefällt noch etwas: Der Schriftzug ist an einer Stelle, wo ihn andere Menschen sehen können. Er wirkt also auch nach außen – so wie auf mich. Ich bin im Bus daran erinnert worden: Ich bin gesegnet! – auch im stickigen ÖPNV mitten in deinem banalen Alltag bist du von Gott wohlwollend gesehen.

Das berührt mich und ich denke darüber nach, wie ich mich und andere öfter daran erinnern könnte. Für mich ist der Segen nämlich eine Kraftquelle. Besonders, wenn ich den Segen zugesprochen bekomme. Wenn er dann noch von einer Geste begleitet wird, wie zum Beispiel einer aufgelegten Hand oder einem mit dem Finger gezeichneten Kreuz, fühlt sich das für mich gut an.

Schon in der Bibel steht: Jede:r ist gesegnet

Ich bin gesegnet – und ich kann diesen Segen auch weitergeben. In der Bibel steht gleich im ersten Buch: „Ein Segen sollst du sein“ (Genesis / 1. Mose 12,2). Dort sagt Gott es zu Abraham. Den Gedanken gibt’s von Anfang in der Bibel und auch den find ich klasse: Ich erlebe mich als gesegnet, als gewollt – und deswegen kann ich auch Segen für andere sein und ihnen Gutes tun und zusprechen, Segen weitergeben.

Der Taschensegen

Ein Pfarrer hat mir einmal vom kleinen Taschensegen erzählt. Das ist das Gegenteil der sprichwörtlichen „Faust in der Tasche“. Er funktioniert so: Ich zeichne einfach in meine Handfläche mit dem Daumen ein Kreuz und sage dazu innerlich: „Gott segne dich“. Das kann ich einfach immer machen: Wenn ich auf der Straße einem offensichtlich traurigen Menschen begegne oder einem Bettler. Oder einem verliebten Paar. Oder fröhlichen Kindern.

Ich habe beobachtet: Der kleine Taschensegen verändert. Er schenkt hoffentlich all diesen Menschen Gottes Segen. Aber er wirkt auch auf mich: Er gibt mir einen anderen Blick auf die Menschen. Er lässt mich etwas Gutes sagen und das stärkt auch mich. Heute probiere ich es wieder mal aus.