Von Menschen mit Demenz Menschlichkeit lernen
Mit 21 Jahren in ein Altenpflegeheim ziehen? Eine verrückte Vorstellung. Der Niederländer Teun Toebes hat das gemacht. Seit zweieinhalb Jahren lebt der junge Mann in einem Heim in der Nähe von Amsterdam. Zusammen mit 14 Menschen mit Demenz.
Die Altenpflege verbessern
Seine selbstgewählte Aufgabe: Er will die Pflege verbessern. Der gelernte Altenpfleger sagt: „Die Betroffenen haben keine eigene Stimme mehr. Ich will ihre Stimme sein. Bis wir in der Pflege gelernt haben, ihnen selbst zuzuhören.“ Am Anfang fanden manche seiner neuen Mitbewohner befremdlich, dass ein junger Mensch mit ihnen leben will. Doch das hat sich schnell geändert. Inzwischen feiern sie Geburtstage, lachen oder tanzen zusammen.
Demente Menschen werden oft nicht mehr als Menschen mit eigenen Bedürnissen und Gefühlen gesehen
Aber sie erleben auch tiefe Traurigkeit. Wie etwa bei Muriel. Einmal sagt die alte Frau zu ihm: „Das Leben hier hat keinen Sinn, wir gehören nicht mehr dazu. Also wäre es besser, wirklich tot zu sein.“ Sie fühlt sich nicht mehr als Mensch mit eigenen Bedürfnissen und Gefühlen gesehen. Sondern nur noch als Teil einer Gruppe verrückter Leute.
Es ist schwierig ein richtiges Heim zu finden
Was Muriel sagt, berührt mich sehr. Meine Mutter ist demenzkrank und wohnt in einem Pflegeheim. Ich weiß als Angehöriger: Es ist belastend, mit Demenz umzugehen. Und schwierig, ein gutes Zuhause zu finden für einen Menschen, den man liebt.
Manches von dem, was Toebes für alle Heime fordert, ist im Pflegeheim meiner Mutter umgesetzt: Im selben Gebäude ist ein Kindergarten. Meine Mutter freut sich jedes Mal, wenn sie auf dem Balkon sitzt und den Kindern beim Spielen zusehen kann. Sie mag es, wenn wir auf den Wochenmarkt im Stadtteil gehen, nur ein paar Straßen entfernt. Und ich sehe, wie die Pflegekräfte die Bewohner liebevoll umsorgen. Sie strahlen aus: Menschen mit Demenz sind und bleiben Menschen, die von Gott mit Würde ausgestattet sind.
Sicherheit, Kontrolle und normierte Tagesabläufe sind oft wichtiger als Mitmenschlichkeit
Aber spiegelt das System der Pflege diese Einsicht wider? Teun Toebes sagt: Nein. Er zeigt das an einem Beispiel. Einmal ist er mit einem Bewohner mit einem Speedboot auf dem Fluss gefahren. Ein verrückter Ausflug. Der Bewohner hat sich dabei vor lauter Begeisterung sein Gebiss zerbissen. Als sie ins Heim zurückkommen, fragt niemand: „Hat es Spaß gemacht?“ Sondern nur: „Hast du eigentlich eine Haftpflichtversicherung?“ Toebes kritisiert: Sicherheit, Kontrolle und normierte Tagesabläufe seien oft wichtiger als Mitmenschlichkeit.
Damit sich etwas ändert, reicht für Teun Toebes manchmal schon die Frage: Was würde ich selbst in dieser Situation wollen? Er habe keine Angst davor, einmal an Demenz zu erkranken. Er habe aber Angst davor, in diesem System zu erkranken.
Menschen mit Demenz sind nicht verrückt, sondern Menschen
Ich finde: Wenn Menschen mit Demenz lieber tot sein wollen als lebendig, läuft etwas falsch im System der Pflege. Damit sich das ändert, braucht es Menschen wie Teun Toebes, die etwas Verrücktes tun, um zu zeigen: Menschen mit Demenz sind nicht verrückt. Sondern Menschen. Und so sollen sie auch behandelt werden.