hr2 ZUSPRUCH
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Groß, Uwe

Eine Sendung von

Katholischer Diakon, Pfarrei St. Peter und Paul, Wiesbaden

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Staunen über mich und die Welt

„Der Mond ist aufgegangen, die goldenen Sternlein prangen am Himmel hell und klar. Der Wald ist schwarz und schweiget und aus den Wiesen steiget der weiße Nebel wunderbar.“ Für mich war dieses Lied von Matthias Claudius lange eher ein Einschlaflied, dem man nicht große Beachtung schenken muss. Dann hab ich ein Interview mit dem verstorbenen Bundeskanzler Helmut Schmidt gesehen. Er hat dieses Lied als sein Lieblingslied bezeichnet, und da hab ich mir gedacht: Den Text von Matthias Claudius musst du dir nochmal genauer anschauen. Er ist ja sogar in den Gesangbüchern der beiden großen Kirchen abgedruckt. 

Eine leise Ahnung davon

In der ersten Strophe stecken Gedanken, die ich auch habe, wenn ich an Sommerabenden bei meinem Vater im Westerwald bin. Nachts sehe ich da einen Sternenhimmel, den ich so im Rhein- Main- Gebiet nie sehe. Ich staune einfach, und das Staunen wird mit der Zeit auch nicht weniger. Ich staune darüber, dass es da draußen ein riesiges Weltall gibt, dass wir ein kleiner Teil davon sind und dass wir nur eine leise Ahnung von der Größe dieses Weltalls haben. 

Soviel weiß ich gar nicht

Die zweite Strophe des Liedes geht dann so: „Wie ist die Welt so stille und in der Dämmerung Hülle, so traulich und so hold, als eine stille Kammer, wo ihr des Tages Jammer verschlafen und vergessen sollt.“ Ja, die Nacht ist auch für mich eine ganz besondere Zeit: Ich glaube, die besten Gespräche habe ich mit Freunden nachts geführt, wenn alles still war, man Zeit hatte und die Hektik des Tages keine Rolle mehr gespielt hat. Das Lied geht dann so weiter: „Seht ihr den Mond dort stehen, er ist nur halb zu sehen und ist doch rund und schön, so sind wohl manche Sachen, die wir getrost belachen, weil unsere Augen sie nicht sehen.“ Die dritte Strophe des Liedes erinnert mich an meine eigenen Grenzen. An die Grenzen von all dem, was ich weiß, was ich glaube oder vermute. Mir wird irgendwie klar: Soviel weiß ich gar nicht. Und das, was ich weiß, weiß ich auch nur von anderen. 

Kleiner Teil des riesigen Weltalls

Angesichts des Nichtwissens geht der Text von Matthias Claudius in ein Gebet über: „Gott, lass uns dein Heil schauen, auf nichts Vergängliches trauen, nicht Eitelkeit uns freuen, lass uns einfältig werden und vor dir hier auf Erden wie Kinder fromm und fröhlich sein“. Das heißt für mich: Der Schlüssel zum menschlichen Glück ist die Demut. Ich nehme mich an als einen kleinen Teil des riesigen Weltalls, mit einer begrenzten Sicht der Dinge. Ich erkenne an, dass es nur einen gibt, der über allen Dingen steht: Das ist für mich Gott. Ihm gebe ich durch mein Gebet die Ehre. 

All das steckt in diesem berühmten Abendlied, und manchmal summe ich es auch abends so vor mich hin.