hr2 ZUSPRUCH
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Groß, Uwe

Eine Sendung von

Katholischer Diakon, Pfarrei St. Peter und Paul, Wiesbaden

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Farben sammeln

Vor ein paar Tagen hat eine Kollegin von mir ihr erstes Kind bekommen. Als sie vor zwei Monaten in den Mutterschutzurlaub gegangen ist, haben wir Kolleginnen und Kollegen ihr gute Wünsche für die Geburt mit auf den Weg gegeben. Mir fiel damals wieder eine Geschichte ein, die mir ein guter Freund bei der Geburt unseres Sohnes erzählt hatte. Es ist die Geschichte eines bekannten Kinderbuchs von Leo Lionni. Es heißt „Frederick“ und erzählt von einer Maus, die statt zu arbeiten und Vorräte für den Winter zu sammeln, sich lieber hinlegt, den Gesprächen der anderen Mäuse zuhört, und die Natur betrachtet. Auf die Frage der Mäuse, warum sie nicht arbeite, sagt sie: „Ich sammle Farben, Wörter und Sonnenstrahlen.“ 

Die Geschichten geben Ihnen Mut

Das finden die anderen Mäuse zunächst unsinnig. Als aber der Winter kommt und die Vorräte beinahe aufgebraucht sind, da füllt Frederick die langen Nächte der Mäuse mit seinen Geschichten, die er im Sommer gehört hat. Er füllt die Nächte mit den Beschreibungen der Sonnenstrahlen und Farben des Sommers. Diese Geschichten geben den Mäusen neuen Mut, auf das Frühjahr zu hoffen. 

Viele Gedanken aufgeschrieben

Farben sammeln, ich kann auch sagen: Erinnerungen sammeln. Erinnerungen an schöne Momente, die einmalig sind und von denen ich noch später zehren kann. Mein Freund hat damals zu mir gesagt: „Sammle Farben mit deinem Sohn, bewahre dir die schöne Zeit, die ihr gemeinsam erlebt, bewahre dir diese Farben für die Zeit, in der dein Sohn andere Wege gehen wird.“ Das habe ich mir zu Herzen genommen. Meine Frau und ich haben uns die Erziehungsarbeit geteilt, und so habe ich auch viel Zeit mit unserem Sohn verbracht. Ich habe zwar auch viel fotografiert, von all den Dingen, die wir unternommen haben, aber ich habe noch mehr Farben für meine Seele gesammelt. Ich habe mir versucht, mir die Gefühle, die ich bei vielen Unternehmungen mit ihm hatte, immer wieder vor Augen zu führen, viele Gedanken habe ich auch aufgeschrieben. 

Sie werden dir Kraft geben

Heute ist mein Sohn fast 13 Jahre alt, und da werden natürlich auch die Freunde immer wichtiger. Trotzdem versuche ich auch heute noch, die gemeinsame Zeit mit meinem Sohn in mir abzuspeichern, für die Tage, in denen er seine eigenen Wege gehen wird.Von dieser Erfahrung habe ich meiner Kollegin erzählt, die jetzt auch ihr erstes Kind bekommen hat. Ich hab zu ihr gesagt: „Sammle Farben, sammle schöne Momente. Die werden dir Kraft geben, wenn die Zeit über diese Phase deines Lebens hinweg gegangen ist.“