hr2 ZUSPRUCH
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Kohl, Rüdiger

Eine Sendung von

Evangelischer Pfarrer, Theologischer Referent der Stellvertretenden Kirchenpräsidentin der EKHN

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"Es gibt viel stilles Leiden in deutschen Fußball-Kabinen"

Timo Baumgartl ist Profi-Fußballer. Mit seiner Mannschaft hat er gerade einen großen Erfolg errungen: Zum ersten Mal hat sich sein Verein Union Berlin für die Champions League qualifiziert. Nicht wenige sprechen von einem kleinen Fußball-Wunder. In der Stunde des Erfolgs hat sich Timo Baumgartl zu einem anderen Thema geäußert. Er sagt: „Viele Profis leiden unter psychischen Problemen. Viele verdrängen und verschweigen das. Es gibt viel stilles Leid in deutschen Fußballkabinen.“ Das will er ändern.

Den Körper trainieren, die Seele vernachlässigen

Den Körper trainieren, die Seele vernachlässigen: Timo Baumgartl hat das bei sich selbst und anderen beobachtet. Er sagt: „Ich kenne Spieler, die haben vor jeder Partie Durchfall.“ Er selbst habe einen Tick entwickelt und eine halbe Stunde zum Anziehen seiner Fußballschuhe gebraucht. Erst durch eine Therapie habe er diesen Tick abstellen können.

Angst haben über seine Ängste zu sprechen

Ich meine, was Baumgartl beschreibt, gilt nicht nur für den Profisport. Ich spreche oft mit Menschen, die in ihrem Beruf immer Leistung bringen und funktionieren müssen. Die Angst haben zu versagen. Viele sind ständig unruhig und schlafen schlecht. Nicht wenige schämen sich, über ihre Ängste zu sprechen. Das geht in vielen Berufen kaum. Der Erfolg steht über allem.

Körper und Seele gehören zusammen

Jesus hat einmal gesagt: „Was hilft es dem Menschen, wenn er die ganze Welt gewinnt und dabei doch Schaden an seiner Seele nimmt?“ (Matthäus 16,26) Jesus hat gewusst: Körper und Seele gehören zusammen. Es tut nicht gut, sich ständig selbst zu überfordern und die Signale der Seele zu überhören.

Timo Baumgartl hat gelernt, genauer auf die Signale seines Körpers und seiner Seele zu achten

Seele und Körper gehören zusammen. Viele Menschen erfahren das in einer Krise. So wie der Profifußballer Timo Baumgartl. Im Frühjahr 2022 war bei ihm Hodenkrebs festgestellt worden. Ein Schock für ihn und seine Familie. Eine Chemotherapie hat ihm geholfen, wieder gesund zu werden. Mühsam und mit großem Willen kämpfte er sich zurück in die Fußballmannschaft. In dieser Zeit ist er sensibler geworden. Hat gelernt, genauer auf die Signale seines Körpers und seiner Seele zu achten.

Es ist ein Zeichen der Stärke, zur Therapie zu gehen

Mich beeindruckt, wie Timo Baumgartl über die Schattenseiten des Profi-Fußballs spricht. So macht er nicht nur anderen Sportlerinnen und Sportlern Mut, bei sich und anderen genauer hinzuschauen. Stärke und Schwäche definiert er anders als früher. Baumgartl sagt: „Viele Spieler würden über ihre Ängste gern sprechen, wenn sie könnten. Da bin ich mir sicher. Für mich ist es ein Zeichen von Stärke, zur Therapie zu gehen und sich um die Seele zu kümmern.“