Die Würde des Menschen ist unantastbar
„Die Würde des Menschen ist unantastbar“. So steht es in großen metallenen Buchstaben an einer Mauer am Rande des Frankfurter Gerichtviertels, direkt an einer großen vierspurigen Straße. Tausende Autos, Busse, Straßenbahnen und Fahrräder fahren dort jeden Tag dran vorbei. Jemand hat einen roten Farbbeutel an die Mauer geworfen, direkt unter die Schrift, der rote Fleck wirkt wie ein Ausrufezeichen.
Der Anfang unseres Grundgesetzes
Wie viele Menschen wohl diesen Satz täglich lesen? Den meisten wird er bekannt vorkommen. Es ist der Anfang unseres Grundgesetzes, der Beginn des 1. Paragraphen unserer Verfassung.
Jeder einzelne Mensch ist wertvoll und schützenswert
Würde bedeutet: Das Leben jedes einzelnen Menschen ist wertvoll und schützenswert. Das gilt unabhängig von Geschlecht, Nationalität, sexueller Orientierung, Hautfarbe, Intelligenz, Aussehen und was uns sonst noch an Unterschiedlichkeiten einfallen kann. Religiöse Menschen sehen die Würde oft als ein Geschenk Gottes an uns Menschen: Jeder und jede ist mit Würde geschaffen.
Fritz Bauer bezeichnete sich selbst als Atheist
Der Mann, der in den 50er Jahren den Satz aus dem damals noch jungen Grundgesetz dort an der Mauer der Frankfurter Staatsanwaltschaft anbringen ließ, hat sich selbst immer als Atheisten bezeichnet: Fritz Bauer.
Er brachte die Aufarbeitung nationalsozialistischer Verbrechen voran
Fritz Bauer war Generalstaatsanwalt. Er hat nach dem Krieg die Aufarbeitung der nationalsozialistischen Verbrechen vorangebracht, erst in Braunschweig, dann in Frankfurt. Hier hat er die sogenannten Ausschwitz-Prozesse möglich gemacht, die von 1963 an über viele Jahre in Frankfurt stattgefunden haben. Seit diesen Prozessen kann niemand mehr behaupten, „Auschwitz“ und die Verbrechen in den Konzentrationslagern hätte es nie gegeben. Fritz Bauer selbst hat leider nur den Anfang der Verhandlungen miterlebt, denn er ist schon 1968 gestorben.
Aufgrund seiner jüdischen Wurzeln wurde ihm die Würde abgesprochen
Der erste Paragraph des Grundgesetzes ist Fritz Bauer existentiell wichtig gewesen. Schließlich hatte er selbst als überzeugter Sozialist und durch seine jüdischen Wurzeln von den Nazis die eigene Würde abgesprochen bekommen. Einige Zeit hatte er in Lagerhaft und später im Exil verbracht.
Die Chance eines Neuanfangs gesehen
Nach dem Krieg und der Naziherrschaft sah er in Deutschland die Chance eines Neuanfangs – dafür musste die Vergangenheit aufgearbeitet werden. DieUnd es war ihm wichtig, schon Kinder und Jugendliche zu Menschen des Friedens und der Demokratie zu erziehen.
Teilweise von eigenen Kollegen scharf kritisiert worden
Für das Zitat aus dem Grundgesetz, das er an der Mauer weithin sichtbar anbringen ließ, ist er teilweise sogar von eigenen Kollegen scharf und erbittert kritisiert worden. Zumal die ja auch den zweiten Teil des Paragraphens kannten: „Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.“ Viele der Richter in den 50er und 60er Jahren hatten vorher Karriere gemacht in einem nationalsozialistischen Staat, der die Würde von Menschen brutal missachtete.
Staat, Bürgerinnen und Bürger sind für die Menschenwürde verantwortlich
Für Fritz Bauer aber war klar: Die Menschenwürde wird immer wieder angetastet. Und es ist die Aufgabe des Staates wie auch von uns Bürgerinnen und Bürger, die Würde jedes Menschen zu achten. Sinngemäß soll Fritz Bauer einmal gesagt haben: Wir Menschen könnten aus der Erde keinen Himmel machen – wohl aber dafür sorgen, dass sie nicht zur Hölle wird. Das klingt einfach, aber wenn uns das gelingt, ist es sehr viel.