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Spory, Dr. Anke

Eine Sendung von

Evangelische Pfarrerin, Bad Homburg-Gonzenheim

Sieben Wochen ohne sofort!

Sieben Wochen ohne sofort!

Heute ist Aschermittwoch. Bis Ostern sind es noch 40 Tage. Viele Menschen nehmen diese Zeit zum Anlass, um Verzicht zu üben. Sie verzichten in dieser Zeit auf Dinge, die ihnen lieb geworden sind. Sie trinken keinen Alkohol, essen keine Schokolade oder Fleisch oder fahren nach Möglichkeit mit dem Fahrrad statt mit dem Auto. Verzicht kann helfen, bewusster wahrzunehmen, was eigentlich für ein gutes Leben nötig ist. Viele machen die überraschende Erfahrung, dass es ihnen mit so einem Verzicht besser geht als vorher.

Die 40 Tage sind kein Zufall. Es gibt Vorbilder in der Bibel. Jesus soll vierzig Tage in der Wüste gefastet haben. Vierzig Tage dauerte die Sintflut und vierzig Jahre führte Mose das Volk Israel durch die Wüste. Die Zahl vierzig markiert in der Bibel eine Zeit, in der Menschen sich neu orientieren.

Die evangelische Kirche ruft seit vielen Jahren zu einer besonderen Fastenaktion auf. Sie nennt sich „7 Wochen ohne“. Dabei geht es weniger darum, etwas Äußeres wegzulassen. Es geht um 7 Wochen Fasten im Kopf. Also: 7 Wochen täglich Routinen hinterfragen, neue Perspektiven einnehmen. Dieses Jahr heißt das Motto "Augenblick mal! Sieben Wochen ohne Sofort!"

Als ich das erste Mal davon gehört habe, habe ich gedacht: Ach, schon wieder einmal dieses wohlgemeinte: Genieße den Augenblick, mach mal eine Pause. Das habe ich schon so oft gehört und gelesen! Doch gleichzeitig habe ich mich selbst reden gehört:

Mach jetzt mal…; Komm, los. Wo sind die Hausaufgaben? Wo ist der Turnbeutel? Nein, nicht später, sofort. Wie oft höre ich mich solche Sätze sagen! Während meine Kinder noch ins Spielen vertieft sind, möchte ich, dass sie sofort reagieren. Manchmal ist das ja notwendig. Aber wirklich immer? Wenn meine Tochter sagt: Mama, ich male noch dieses Bild fertig, dann fange ich mit den Hausaufgaben an oder die andere sagt: Erst mal chillen, ich weiß schon, was ich noch zu tun habe. Manchmal halte ich inne und denke: Sie haben ja Recht. Bild fertig malen, chillen. Das ist jetzt dran. Die Hausaufgaben können auch noch warten. Aber manchmal bleibe ich auch ungeduldig: Nein, jetzt, komm, sofort!

Sieben Wochen ohne sofort. Das heißt sieben Wochen der eigenen Ungeduld auf der Spur zu sein. Ich ahne: Das ist viel schwieriger als es sich anhört. Die Herausforderung liegt ja gerade in den kleinen Begebenheiten, die so tagtäglich passieren.

Ich will mich trotzdem auf den Impuls einlassen. Und ich bin gespannt, was passiert. Sieben Wochen können lang sein. Aber das ist ja auch gerade gut. Denn, um meiner Ungeduld auf die Spur zu kommen braucht es vermutlich etwas Zeit. Auch, um die Stimme im Kopf überhaupt wahrzunehmen, die immer wieder meint, jetzt und sofort muss alles erledigt sein.

Ich hoffe, dass mich nicht nur meine Kinder darauf hinweisen: Augenblick mal, Mama. Nicht jetzt, nicht sofort! Sondern, dass ich es selber merke: Augenblick mal, jetzt treibt mich gerade mal wieder meine Ungeduld an. Und ich hoffe, dass ich dann selbst zu mir sagen kann: Augenblick mal!