hr2 ZUSPRUCH
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Tönges-Braungart, Michael

Eine Sendung von

Evangelischer Pfarrer, Bad Homburg

Eindeutig sein

„Euer Ja sei ein Ja, euer Nein ein Nein; alles andere stammt vom Bösen.“ (Matthäus 5, 37) So klar und eindeutig hat es Jesus in seiner Bergpredigt gesagt. Das wäre doch wünschenswert, wenn menschliche Kommunikation so funktionieren würde! Wenn Antworten immer so einfach wären. Da wüsste man doch immer, woran man ist!

Ja, aber…. Denke ich dann im nächsten Moment. Ja; aber so einfach sind die Dinge nun mal nicht immer, dass man immer klar Ja oder Nein, Richtig oder Falsch sagen könnte. Nicht alle Fragen lassen sich mit einem klaren Ja oder Nein beantworten. Und ist es nicht sogar gefährlich, auf komplizierte Fragen schnell einfache Antworten zu geben? Tun das nicht z.B. gerade politische Rattenfänger und Radikale jeder Couleur, die auf alles – scheinbar – einfache und eindeutige Antworten haben? Sie bekommen wohl gerade deshalb Zulauf, weil die Politik auf viele wichtige Fragen eben keine klaren Antworten mehr gibt – oder keine, die verstanden werden.

Ich denke aber nicht, dass sich Vereinfacher auf Jesus berufen können. „Euer Ja sei ein Ja, euer Nein ein Nein…“ diesen Satz hat er im Blick auf das Schwören gesagt. Zuerst zitiert er das Alte Testament. Da wird nämlich der Meineid verboten. Dann verschärft Jesus es sogar noch: „Ihr sollt überhaupt keine Eide schwören.“

Warum eigentlich nicht? Vor Gericht ist das z.B. doch dann angesagt, wenn es wirklich um etwas geht; wenn es ganz und gar darauf ankommt, dass jemand die Wahrheit sagt.

Und genau da liegt der Punkt. Wann kommt’s denn darauf an – und wann nicht? Wann ist es wirklich wichtig, die Wahrheit zu sagen – und wann muss ich‘s damit nicht so genau nehmen? Wann muss ich für das einstehen, was ich sage – und wann kann ich auch unverbindlich bleiben?

Ich denke, es geht Jesus darum, ob unsere Rede verlässlich ist oder nicht. Ob jemand zu dem steht, was er sagt. Ob er oder sie vertrauenswürdig ist oder nicht.

Wenn man schwört, sagt man doch implizit: „Diesmal kannst du dich 100%ig auf das verlassen, was ich sage!“ Heißt das dann zugleich: „Und sonst nicht unbedingt…?“

Es geht Jesus wirklich nicht um einfache Antworten auf komplizierte Fragen. Und es geht ihm auch nicht darum, ob man vor Gericht schwören darf oder nicht.

Er sagt vielmehr: Andere sollen sich auf Euch verlassen können. Sie sollen wissen, wofür Ihr steht. Sie sollen darauf vertrauen können, dass Ihr auch meint, was Ihr sagt – und zwar immer. Andere sollen sich darauf verlassen können, dass Ihr die Wahrheit sagt – nach bestem Wissen und Gewissen – und nicht einfach so daherredet oder irgendetwas nachplappert.

Das ist etwas anderes, als einfache Antworten auf komplizierte Fragen liefern. Das kann ja auch heißen, eine Antwort schuldig zu bleiben, wenn ich noch keine gefunden habe; meine eigene Ratlosigkeit zugeben. Oder ich nenne mögliche Antworten, zwischen denen ich noch unschlüssig bin. Darin habe ich für mein Gegenüber genauso vertrauenswürdig zu sein wie in den Fällen, in denen ich für mich eine klare Antwort gefunden habe.