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Eine Sendung von

Pastor evangelische Freikirche

Roter Anstecker

Wer heute in England unterwegs ist, wird sich über die vielen roten Anstecker wundern. Es sind Mohnblumen, früher aus Papier, heute aus Plastik gefertigt. Sie erinnern an das Ende des Ersten Weltkriegs. Heute, am 11. November ist der Gedenktag an den Waffenstillstand von 1918. Damals schwiegen ab dem 11.11. um 11 Uhr die Waffen. Der große Krieg war zu Ende. Die Armeen lösten sich auf. Es ging nach Hause.

Auf den Schlachtfeldern in der Türkei, in Russland und Galizien, in Flandern und in Serbien blieben die Gräber unzähliger Soldaten zurück. Bis heute erinnern sie an das Grauen des Krieges. Millionen andere kehrten zwar heim, aber sie blieben für ihr Leben gezeichnet. Ihre seelischen und körperlichen Wunden vernarbten nie mehr ganz. Daran erinnern sich heute die Engländer mit der roten Blüte am Revers.

Auch der Premierminister trägt einen solchen Anstecker. Beim EU-Gipfel Ende Oktober konnte man ihn so bei der Pressekonferenz sehen.  Mit dem Mohnblütenanstecker verbindet sich ein Gedicht: „In Flanderns Fields“. Seit fast hundert Jahren kennt es auf den britischen Inseln fast jedes Kind. „Auf Flanderns Feldern blüht der Mohn“. Die Verse erinnern an die blutigen Kämpfe im westlichen Belgien, wo 1915 die ersten großen Schlachten des Weltkrieg tobten. Die Toten mahnen die Lebenden, ihren Kampf fortzusetzen. Blutrot blühte der Mohn zwischen den frischen Gräbern.

Geschrieben hat das Gedicht ein junger kanadischer Soldat, der Mediziner und Schriftsteller John Alexander McCrae. Er verlor bei einem Angriff in Flandern seinen besten Freund. Der gerade einmal  22jährigen Alexis Helmer starb durch einen Granatsplitter. McCrae sah den Freund verbluten und begrub ihn zwischen blühenden Mohnblumen. Erschüttert dichtete er die Verse. Doch dann warf er das Gedicht achtlos weg. Ein anderer fand die Zeilen, nahm sie mit und schickte die Verse an verschiedene Zeitungen.

Eine Freiwillige des amerikanischen CVJM, des Christlichen Vereins junger Menschen, las das Gedicht in einer Frauenzeitschrift. Moina Belle Michael, so hieß sie, versorgte amerikanische Soldaten in New York. Sie war tief berührt. „Ich will das Gedenken an die Opfer des Krieges in Ehren halten“, beschloss sie. Von da an trug sie eine Mohnblüte an ihrem Kleid. Das Beispiel machte Schule. Überall sah man die roten Anstecker. Bald waren die Poppies, vom englischen „poppy“ für Mohnblume, in den USA, in Kanada, Australien, Neuseeland und England zu sehen. Sie wurden zum Symbol für die Kriegsopferfürsorge in der englischsprachigen Welt. Nie wieder sollte die Erde vom Blut der Soldaten rot werden. Die Opfer der Kriege sollte niemand vergessen.

Heute, am 11. November werden wieder Poppies verkauft. Mit dem Erlös versorgt und unterstützt man die Opfer der Kriege von heute. Seitdem ich von den Poppies gehört habe, erinnern mich die Mohnblüten in jedem Frühling an die Opfer der Gewalt. Ich will mich nicht damit abfinden, dass Menschen in den Krieg ziehen. Ich will tun, was ich kann, dass der Mohn nicht mehr an Blutvergießen erinnert, sondern einfach nur noch eine schöne Blume ist.