Das war mein Tag
Das wird nicht mein Tag, dachte ich als ich in der Morgendämmerung das Haus verlassen habe. Zuerst sprang das Auto nicht an. Dann fielen mir all die Orte ein, an denen ich an diesem Tag Gespräche, Sitzungen, Begegnungen vereinbart hatte. Ein Stau auf der Autobahn oder eine Panne würde den ganzen Plan schnell durcheinander bringen. Und was mache ich dann? Am Ende ist es gut gegangen; ich war abends wieder wohlbehalten daheim. Aber mein Tag war es trotzdem nicht.
Schon in der ersten Sitzung – es ging um ein großes Bauvorhaben in unserem Dorf – hörte ich von den Architekten was alles schwierig ist und nicht geht. Einen schönen Wohnraum in dem alten Fachwerkhaus ausreichend zu restaurieren geht nicht; zu teuer, da fehlt das Geld. Den Raum ganz neu zu gestalten geht auch nicht, der ist ja denkmalsgeschützt. Da muss möglichst Vieles so aussehen wie es früher einmal war – die historischen Fenster, die historischen Türen, die historischen Treppen. Warum eigentlich habe ich mich gefragt.
Der Ausbau des Hauses geht oft nur schleppend voran, weil hier eine Genehmigung, dort ein Gutachten fehlt. Das geht alles nicht, weil …. Als ich aus dem Architektenbüro in die nächste Sitzung fuhr, erging es mir nicht besser. Es war ein Gespräch mit einer öffentlichen Verwaltung. Jemand hatte herausgefunden, dass in einem Vertrag ein halber Satz falsch formuliert ist. Und überhaupt müsse man die Sache grundsätzlich klären. So einfach wie ich mir das vorstellte, ginge das nicht, weil… An dem Tag habe ich viel gehört, was nicht geht. Es gibt Vorschriften, Regeln, festgelegte Abläufe, Zuständigkeiten, Kontrolleure, Prüfer, Aufpasser. Das geht alles nicht, weil… So einfach ist das Leben eben nicht.
Auf der Heimfahrt habe ich gedacht: Das war wirklich nicht dein Tag. Da fiel mir ein, was der Unternehmensberater und Zukunftsforscher Claus Otto Scharmer aus seiner Erfahrung formuliert hat. Er sagt: Wenn du mit einer neuen Idee kommst, wirst du oft hören: Das geht nicht, weil… Jedes Vorhaben, jede Idee provoziert Bedenkenträger. Doch wenn du hörst: das geht nicht, weil…, dann frag dagegen, ein bisschen spitzbübisch vielleicht: Es ginge doch, wenn… An diesem Tag, der nicht mein Tag war, hätte ich mir jemanden gewünscht, der gesagt hätte: Ich habe verstanden, was du willst, ich kenne das Ziel, das du anstrebst und ich helfe dir dabei, es zu erreichen.
Als ich abends nach Hause kam, endete der Tag noch versöhnlich. Ich hatte mein Auto vor dem Stall abgestellt, in dem wir ein paar Tiere halten. Aus dem Stallfenster flog gerade eine Schwalbe heraus. Seit ein paar Jahren brüten die Rauchschwalben wieder bei uns. Diese Schwalbe hat nur ein Ziel, nämlich Mücken und Fliegen zu fangen, um die Jungen aufzuziehen, damit sie den bevorstehenden Flug in den Süden bestehen. Von diesem Ziel lässt sie sich nicht abbringen; das verfolgt sie unbeirrt und konsequent. Ist das nicht einfach und klar? Vielleicht kann man als Mensch von den Vögeln etwas lernen. So steht es an einer Stelle in der Bibel: Siehe die Vögel unter dem Himmel, sie säen nicht, sie ernten nicht, und der himmlische Vater ernährt sie doch. Steckt in diesem Satz nicht eine gewisse Leichtigkeit und Heiterkeit des Lebens?
Am Ende wurde dieser Tag dann doch noch mein Tag. Ich wusste: Du musst dein Ziel klar vor Augen haben – so wie die Schwalbe ihres da draußen im Stall. Du musst dein Ziel weiter verfolgen – vielleicht mit einer gewissen Leichtigkeit und etwas Humor.