Der Weltalphabetisierungstag fordert, dass alle Menschen an der Freiheit teilhaben, die das Lesen und Schreiben bietet
Heute ist Weltalphabetisierungstag, ein langes Wort für einen wichtigen Tag, der . seit 1966 weltweit jedes Jahr am 8. September gefeiert wird. Lesen und Schreiben zu können, was bedeutet das eigentlich?
Für mein Leben ist es das ganz wichtig. Ich kann mir kaum mehr vorstellen, wie das war, als ich noch nicht lesen und schreiben konnte. Ich könnte sogar sagen, dass es geradezu meine Lieblingsbeschäftigung ist, mit einem guten Buch da zu sitzen und mich ganz in die Welt der Buchstaben, der Wörter, der Sprache zu vertiefen. Und natürlich ist es auch für meine Weise, den christlichen Glauben zu leben, unverzichtbar. So habe ich mir einen Satz, der von Martin Luther stammt, sozusagen in mein Herz geschrieben: „Willst Du dem bösen Feind nicht ins Netze fallen, so halt dich an das göttliche Wort, da krieche hinein und bleib drin wie ein Hase in seiner Steinritze. Sparzierst du hinaus und gibst zu viel auf das Menschengeschwätz, so wird dich der Feind führen und zuletzt stürzen, dass du nicht weißt, wo Vernunft, Glaube und du selbst bleibst.“1 Es war Luthers Überzeugung, dass man in das Wort Gottes hineinkriechen kann wie ein Hase in seine Steinritze. Mit anderen Worten: Man kann sich in einen Satz, in ein Wort hinein bergen und sich von ihm tragen lassen. Sei es nun der eigene Taufspruch oder sei es ein Satz aus einer Predigt oder auch aus einem Gespräch, das einem den Weg zu Gott eröffnet. Sprache, mündliche Sprache, Lesen und Schreiben, sie gehören im Christentum, im Judentum und auch im Islam untrennbar zusammen. Lesen und Schreiben zu können, das ist sozusagen das Handwerkszeug, im Glauben selbstständig zu werden. Lesen und Schreiben geben Menschen die Freiheit, sich eigenständig mit den Grundlagen von Religion auseinandersetzen. Deshalb schaffen sie auch die Freiheit dazu, sich von einer Religion zu emanzipieren, die einen unterdrückt. Beides gehört zusammen.
Die UNESCO als Bildungsorganisation der Vereinten Nationen lenkt heute am Weltalphabetisierungstag den Blick insbesondere auf Entwicklungsländer. Hier haben zu wenig Menschen die Möglichkeit, lesen und schreiben zu lernen. Dabei ist es hoch interessant, dass ein Drittel aller Sprachen auf der Welt aus Afrika kommen, das sind ca. 1750. Unter diesen Sprachen sind auch noch viele gesprochene, nicht geschriebene Sprachen. Alphabetisierung heißt hier, dass eine Sprache eine Schrift erhält. Ein spannender Prozess, der für eine Volksgruppe kulturell viel bedeuten kann. Aber Alphabetisierung ist auch bei uns zuhause gefragt: Sage und schreibe ein Viertel der deutschen Schülerinnen und Schüler zählen zur Risikogruppe und können am Ende ihrer Schullaufbahn kaum lesen und schreiben. Sieben Millionen Erwachsene werden in Deutschland als Analphabeten bezeichnet. Es ist klar: Unser Land braucht ein starkes Bündnis für mehr Bildung. Die UNESO fordert, dass bis 2015 alle Menschen mit Alphabetisierungsprogrammen erreicht werden. Da sind nicht nur die Länder der sogenannten dritten Welt gemeint, sondern auch Deutschland.