Der Apfelbaum
Unter der Losung „...da wird auch dein Herz sein“ beginnt morgen in Dresden der Evangelische Kirchentag. Die Losung ist Teil eines Wortes Jesu aus der Bergpredigt. Da heißt es: „Wo dein Schatz ist, da ist auch dein Herz.“ (Matth.6,21) Jesus stellt die himmlischen Schätze den vergänglichen irdischen Schätzen entgegen. Er formuliert eine klare Alternative: „Ihr könnt nicht Gott dienen und dem Mammon.“ (Matth.6,24)
Doch das Wort „Schatz“ hat noch eine ganz andere Bedeutung. Mein Herz ist bei dem Menschen, den ich liebe. Das Herz ist bei meinem Schatz. Liebe ist eine Himmelsmacht, sagen wir. Sie ist die schöpferische Energie Gottes. Sie pulsiert in den unabsehbaren Weiten des Kosmos und in allem, was auf Erden kreucht und fleucht, lebt und webt. Martin Luther hat ein schönes Bild gefunden: „Gott ist ein glühender Backofen voll Liebe.“
„Wer in Gott bleibt, der bleibt in Gott und Gott in ihm, hat der Apostel Johannes geschrieben. (1.Johannesbrief, 3,16) Doch die Menschheit ist nicht „in Gott geblieben“. Das begann bekanntlich schon im Paradies. Und zwar unter einem Baum. „Ja, der Apfelbaum“, werden jetzt Viele denken. Allerdings steht nur geschrieben, dass Adam und Eva eine verbotene Frucht aßen. Welche Frucht es war, wird nicht gesagt. Warum dann der Apfel? Nun, in der lateinischen Kirchensprache heißt „Apfel“ mālum“. Und das sind exakt die gleichen Buchstaben wie im Wort für „das Böse“ malum. Nur wird hier das a kurz ausgesprochen.
Das Böse, die Verführung, der Apfel. Aber eigentlich ist diese Gleichsetzung unpassend, denn der Apfel hat noch einen anderen, einen hohen symbolischen Wert. Man denke an den Reichsapfel der mittelalterlichen Kaiser. Er war ihr Zeichen universeller Macht. Und dann ist da noch das Hohelied, diese biblische Sammlung hinreißender Liebesgedichte. Abwechselnd besingen eine junge Frau und ihr Freund die Freuden der Liebe. Und sie, die Liebende ist es, die den Apfel ins Spiel bringt: „... Er labt mich mit Äpfeln, denn ich bin krank vor Liebe,“ erzählt sie vom Geliebten (HL 2.5) Und später singt sie: „Unter dem Apfelbaum weckte ich dich, wo deine Mutter mit dir in die Wehen kam, ... Lege mich wie ein Siegel auf dein Herz, wie ein Siegel auf deinen Arm. ... Denn Liebe ist stark wie der Tod. Ihre Glut ist feurig und eine Flamme des Herrn. ... Wenn einer alles Gut in seinem Hause um die Liebe geben wollte, so könnte das alles nicht genügen.“ (HL 8, 57)
Der Apfelbaum als Liebesbaum, Ort einer Geburt, eines neuen Lebens, – „da wird dein Schatz sein.“ Jesus hätte bestimmt nichts dagegen, die Kirchentagslosung auch so zu hören. Ist er doch die verkörperte göttliche Liebe selbst. Die Sängerin im Hohenlied sagt: die Gottesgabe, die Liebe, kann mit Geld und Gut nicht erkauft werden. Ebenso eindeutig hat Jesus Gott und den Mammon als unvereinbar erklärt. Die Herzen der Liebenden aber werden der Flamme des Herrn immer aufs Neue zur Heimat. Das haben Adam und Eva offenbar aus dem Paradies mitgebracht.