Regina und der kostbare Kastanien-Schatz
Jetzt, Ende Oktober, fällt das prächtige gold-rote Laub so langsam zu Boden. Die Natur stellt sich auf Winter um. Mich zieht es nach draußen. Den Herbst mochte ich schon immer besonders gern. Das liegt vielleicht daran, dass ich im September geboren bin. Oder weil ich als gebürtige Hamburgerin das sogenannte Schietwetter gewöhnt bin.
Kastaniensammlen - ein Ritual aus der Kindheit
Mit dem Herbst verbinde ich aber noch etwas. Es ist ein Ritual aus meiner Kindheit. Meine Tagesmutter Regina war für mich viel mehr wie eine Oma. Sie hat es mir mit auf den Weg gegeben. Damals sammelten wir oft beim Gassigehen am Mittag Kastanien. Sorgfältig suchten wir die schönsten aus. Jede Kastanie wurde wie eine Kostbarkeit befühlt, ob die glatte Oberfläche auch keine raue Stelle aufweist. Zuhause legten wir unsere Ausbeute auf den Küchentisch und begutachteten unsere Schätze. Denn für uns waren das nicht bloß Kastanien.
Schätze von der Straße, die darauf warten, etwas zu bedeuten
Jede Nuss hatte eine Bedeutung, so hat es mir Regina vermittelt: Wir sammelten sie für das, wofür wir dankbar waren. Für schöne Momente. Für die Menschen, die wir besonders liebhatten. Für Dinge, die uns Freude schenkten. Jede Kastanie stand für etwas, das uns guttat. Mal war es nur eine, mal waren es drei oder mehr. Es waren unsere Schätze. Sie lagen einfach so auf der Straße. Sie warteten darauf, für uns etwas zu bedeuten. Sie erinnern daran, wie viel Schönes in unserem Leben ist.
Sammeln für die ungemütlichen Zeiten des Winters
Seitdem begleitet mich dieses Ritual. Und jedes Jahr erinnert mich die erste gesammelte Kastanie daran: Regina hat mir das geschenkt. Die Augen öffnen für das Gute in meinem Leben. Es sammeln für die ungemütlichen und kargen Zeiten des Winters und des Lebens. Und so liegen auch dieses Jahr in einer Schale auf meinem Esstisch Kastanien. Natürlich nur die schönsten, für das, was in meinem Leben gerade am schönsten ist. Wie braune Edelsteine leuchten sie, wenn die Sonne darauf fällt. Der Anblick allein macht mich dankbar.