hr1 ZUSPRUCH
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Arnold-Rammé, Pia

Ein Sendung von

katholische Pastoralreferentin im Ruhestand, Frankfurt

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Du fehlst!

Der November ist für mich der traurigste Monat des Jahres: Oft ist schlechtes Wetter, es wird immer dunkler, die Tage kürzer, die Sonne geht und die Winter-Depression kommt. Da passen die Gedenktage des Monats ganz gut: Totensonntag, Volkstrauertag, und dann heute Allerseelen. Das Fest ist in der katholischen Kirche ein Gedenktag – an die Verstorbenen. In vielen Gemeinden finden Gottesdienste statt. Dort wird an die Toten des vergangenen Jahres erinnert, zusammen mit Familien und Freunden der Toten. Viele Menschen gehen auf den Friedhof; es gibt auch gemeinsame Friedhofsgänge mit Gebeten und Gräbersegnungen.

Helfen Gedenkgottesdienste oder der Gang auf den Friedhof?

Aber hilft das alles wirklich? Ist es nicht manchmal besser, den Tod zu verdrängen? Ist es nicht besser zu vergessen, als sich ständig den Schmerz über den Verlust wieder vor Augen zu führen? Ein Mensch ist tot, was soll ein Gang auf den Friedhof oder ein Gottesdienst schon daran ändern?

Der Mensch heißt Mensch, weil…

In seinem Lied „Mensch“ singt Herbert Grönemeyer: „Und der Mensch heißt Mensch, weil er vergisst, weil er verdrängt. Und weil er schwärmt und stählt, weil er wärmt, wenn er erzählt. Und weil er lacht und weil er lebt. Du fehlst.“

Sich erinnern, Trauer zulassen, aber auch loslassen

Ich finde, diese Spannung trifft es ziemlich gut: Beim Trauern um geliebte Menschen braucht es beides: Ich bin todtraurig und verzweifelt, mal länger, mal etwas kürzer. Ich will und muss erzählen von dem toten Menschen, von seinem Leben und Sterben. Und das ist auch wichtig, denn nur so kann ich wirklich Abschied nehmen. Ich will und muss mich erinnern. Aber es ist auch wichtig, mal loszulassen, sich abzulenken, was ganz anderes machen, zu vergessen und zu verdrängen. Beides gehört zusammen. Genau in dieser Spannung kann ich weiterleben. Ich kann trotz aller Trauer und aller Erfahrung von Leid auch wieder fröhlich sein und lachen.

Das Leben, die Liebe ist stärker als der Tod

Der Verlust beleibt. Ein geliebter Mensch fehlt. Die Traurigkeit ist da. Aber ich lasse mich von ihr nicht unterkriegen. Und genau daran will mich das Fest Allerseelen erinnern. Es ist das, was ich auch gemeinsam mit anderen im Gottesdienst in Kirche oder auf dem Friedhof feiere: Das Leben, die Liebe ist stärker als der Tod. Das letzte Wort über uns ist nicht der Tod, sondern die Hoffnung auf Leben bei Gott. Das gibt mir Kraft und Zuversicht in der Trauer.