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Kristen, Dr. Peter

Eine Sendung von

Evangelischer Pfarrer und Studienleiter, Religionspädagogisches Institut Darmstadt

Hand im Kürbis

Hand im Kürbis

Greifen Sie zu, bevor es ein anderer tut! Die Werbung klingt verlockend. Wer will schon ein echtes Schnäppchen verpassen? Zugreifen und festhalten, das kann aber auch ganz schön schiefgehen. Davon erzählt schon Alfred Brehm, der Verfasser von „Brehms Tierleben“. Dieses Buch stand seit dem 19. Jahrhundert viele Generationen lang in fast jedem Bücherschrank. Es hat vielen die faszinierende Welt der Tiere eröffnet.

Brehm schreibt dort über Affen: „Die Malaien höhlen harte Kürbisse durch eine kleine Öffnung aus und füllen sie mit Stücken von Nahrung, namentlich mit Zucker oder mit Früchten, die die Affen gern fressen. Diese zwängen, um zu ihrer Lieblingsspeise zu gelangen, ihre Hände durch die Öffnung und erfassen eines der Stücke mit solcher Gier, daß sie sich lieber fangen lassen, als das einmal Erfaßte wieder loslassen. In solcher Weise beherrschen die Leidenschaften auch die klügsten Affen – just wie so manche Menschen.“

Loslassen ist manchmal lebenswichtig. Als Kind hab‘ ich die Hand meiner Eltern losgelassen, um die ersten eigenen Schritte zu gehen, dann das Elternhaus, um mir ein eigenes Leben aufzubauen. Als Vater hab ich meine Kinder losgelassen, damit sie eigene Schritte gehen können.

Trotzdem frag ich mich manchmal: Hab ich vielleicht doch noch eine Faust im Kürbis? Versuche ich unbedingt, etwas zu bekommen, das mir als Schnäppchen erscheint oder halte ich auch krampfhaft etwas fest, das mich unfrei macht? Wünsche, die mich binden, Träume wie alles einmal werden soll, wenn ich erst zugegriffen habe?

Geschichten vom Loslassen sind auch Glaubensgeschichten. Loslassen braucht Vertrauen. Vertrauen in das Leben, Vertrauen in die Zukunft – und Vertrauen in Gott. Ziemlich weit vorne in der Bibel gibt es die Geschichte von Abraham und Sara. Sie vertrauen auf ein Versprechen Gottes, machen sich auf in ein neues, noch unbekanntes Land und werden dort zu den Stammeltern eines großen, gesegneten Volks. Wer darauf vertraut, dass das Neue in seinem Leben gelingt, kann die klammernde Hand öffnen und loslassen. Der wird spüren: das bringt mich weiter, als ich mit der Hand im Kürbis gekommen wäre.