hr1 ZUSPRUCH
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Vorländer, Martin

Eine Sendung von

Evangelischer Pfarrer und Senderbeauftragter für den DLF, Frankfurt

Reisesegen

Wir waren sechzehn oder siebzehn Jahre alt und hatten unsere erste größere Tour ohne Eltern vor uns: Drei Schulfreunde mit dem Fahrrad die Donau entlang von Passau bis nach Wien. Die Tage vor dem Start hatten wir unsere Fahrräder gründlich auf Vordermann gebracht, das Igluzelt zur Probe im Garten aufgestellt. Wir haben die Landkarten studiert und darin die Strecken und Etappen eingezeichnet, die wir pro Tag schaffen wollten. Nun konnte es losgehen.

Die vollgepackten Räder standen zur Abfahrt bereit. Da ruft uns die Mutter des Schulfreundes noch einmal ins Haus. Sie versammelt uns drei Jungs um den Tisch im Wohnzimmer, wartet, bis wir sitzen. In der Mitte hat sie eine Kerze angezündet. Ohne große Worte drumherum zu machen, greift sie zu einem Gebetbuch und liest daraus einen Reisesegen vor. Ich kann mich nicht mehr an die genauen Worte erinnern. Aber ich erinnere mich sehr genau an die Stimmung: Ein bisschen peinlich war es schon. Aber auch dicht, richtig andächtig, irgendwie beruhigend.

Wie selbstverständlich die Mutter des Freundes für uns und unsere Reise gebetet hat. Nur ein paar Minuten, dann schwangen wir uns auf die Räder. Zehn Tage später waren wir wieder da: Wir sind auf der Tour nach Wien zwischendurch an den Rand unserer Kräfte gekommen. Ich habe auf halber Strecke Geld verloren. Wir mussten zusammenlegen, was wir noch hatten, und es durch drei teilen. Wir haben dadurch gelernt, wie man Wien billig besichtigt. Kleine Reibereien gab es auch zwischen uns, aber die haben wir gemeistert.

Vor allem waren wir glücklich, voll mit Erlebnissen und gut behütet wieder zu Hause. Ob das am Reisesegen lag? Ich weiß es nicht. Aber er hat beiden Seiten ein besseres Gefühl gegeben. Die Mutter meines Schulfreundes konnte uns dadurch ruhiger ziehen lassen. Wir Jungs haben uns eigentlich nie Gedanken gemacht, dass uns etwas passieren könnte. Aber mit Segen reist es sich doch besser.