Zum 60. Geburtstag: Die Verwandlung der Angela Merkel
Ihre Frisur gleicht immer mehr einer Krone. Ihre Markenzeichen: Ihre Mundwinkel und die Hände, die eine Raute formen. Seit bald zehn Jahren zeigt sie der Welt, dass sie gern mal zögert und trotzdem alles entscheidet. Heute hat Angela Merkel ihren sechzigsten Geburtstag. Herzlichen Glückwunsch! Und viel Segen, Frau Bundeskanzlerin!
Merkel wäre nicht Merkel, wenn sie sich schnell hätte entscheiden können, wie sie ihren Geburtstag feiern will. Sie hat lange gezögert. Nun schenkt sie sich und den circa tausend Gästen den Historiker Jürgen Osterhammel aus Konstanz als Festredner zu ihrem runden Geburtstag. Ein großes Werk von Osterhammel heißt „Die Verwandlung der Welt. Eine Geschichte des 19. Jahrhunderts“. Er könnte heute Abend im Berliner Konrad-Adenauer-Haus auch sprechen über „die Verwandlung der Angela Merkel. Eine Geschichte des 21. Jahrhunderts“.
Ganz gleich, ob wir Angela Merkel nun gut finden oder nicht, wir können nur staunen, wie sie sich entwickelt hat. 1991 trat sie mit siebenunddreißig Jahren erstmals deutschlandweit in Erscheinung: Helmut Kohl holte sie in sein Kabinett als Bundesministerin für Frauen und Jugend. Ihr Ressort galt als kleines Restministerium mit geringen Kompetenzen. Und Angela Merkel galt als ostdeutsches Feigenblatt und als „Kohls Mädchen“: Eine graue Maus, die im Schatten anderer Politiker steht. Wenn damals jemand gesagt hätte „Aus der wird nochmal was ganz Großes“, der wäre ausgelacht worden.
Zu früh und falsch gelacht. Angela Merkel ist der lebende Beweis: Man sollte einen Menschen nie unterschätzen. Es ist kurzsichtig, ein Kind, einen Jugendlichen, einen Erwachsenen auf das festzulegen, was er oder sie gerade ist oder in der Vergangenheit war. In jeder und jedem steckt immer mehr, als sichtbar ist. Vom christlichen Glauben her gesagt: Gott hat viele Möglichkeiten in uns gelegt. Oft mehr als wir selbst von uns wissen. Die eigenen Talente zu entdecken, das hat nicht nur etwas mit äußeren Erfolgen zu tun. Es geht darum, den eigenen Weg zu finden, die eigenen Begabungen für sich und andere gut einzusetzen. Das kann als Bundeskanzlerin oder Bundeskanzler sein. Aber es gibt Gott sei Dank viele tausend Möglichkeiten mehr.