hr1 ZUSPRUCH
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Wildfang, Christoph

Eine Sendung von

Evangelischer Pfarrer, Arnoldshain

Köpcke

28 Jahre lang, rund 5000 Mal las Karl-Heinz Köpcke die Nachrichten der „Tagesschau“. Ich bin mit seiner sonoren Stimme aufgewachsen. Tagesschau, das war ein Grundpfeiler jedes Abends. Er las die Nachrichten in die Wohnzimmer ohne einen Anflug von Individualität, ohne sichtbare Emotionen, gediegen, zuverlässig und korrekt. Am 10. September 1987 war es dann für ihn das letzte Mal.

In meiner Jugend hat er dazugehört, ob uns die Nachrichten gefielen oder nicht. Als junger Mensch empfand ich Köpckes Nachrichtenpräsentation als einen total objektiven Bericht über das Weltgeschehen des Tages. Erst später kam ich ins Grübeln darüber, ob alles wirklich so war, wie in der Tagesschau. Aber irgendwie waren Nachrichten von Karl-Heinz Köpcke gesprochen eine feste unumstößliche Basis der eigenen Weltsicht. Köpcke glaubte man seine Nachrichten einfach so.

Aber, diese Zeit der Autoritäten ist vorbei. Keine Autoritätsfixierung mehr. Dass etwas einfach so gilt, das löst sich auf. Menschen filtern in ihrem Medienkonsum das heraus, was sie hören möchten. Blenden das aus, was ihnen nicht passt. Möchten eher ihre eigene festgelegte Meinung bestätigt sehen. Ich versuche mir täglich mit einigen Nachrichten-Apps eine begründete Meinung zu bilden. Aber je mehr komplexe Nachrichten ich sehe oder höre, desto häufiger bleibt die Frage nach der Wahrheit. Ist dieser Ausschnitt, den ich sehe, stellvertretend für das große Ganze des Problems? Bekomme ich wirklich eine einigermaßen objektive Wahrheit? Über das Kriegsgeschehen in der Ukraine zum Beispiel? Wo bleibt die Nachricht, wer das Flugzeug aus Malaysia abgeschossen hat? Was geschieht wirklich im Nahen Osten, wo unvorstellbar Grausames passiert?

Auf manchen Sendern gibt es ganz andere Nachrichten: über Botox und Ice Buckets, mit Poolfotos und Diättipps. Schlimme Nachrichten Fehlanzeige. Viele Menschen sehen gar keine Nachrichten mehr, weil sie komplexe Zusammenhänge, belastende Bilder nicht sehen möchten. Uninformiert zu sein scheint nicht weiter dramatisch. Meine eigene vorläufige Meinung werde ich mir wohl selber bilden und öfter mal verändern müssen. Es gibt kein Zurück zu alten Autoritäten. Denken war nie so wertvoll wie heute.