Dia-Abend
Fast 15.000 Dias waren es, die wir uns mutig vorgenommen hatten zu sichten. Mein Vater hatte sie gemacht. Fotografieren war sein Hobby. Nun saß die Familie wie damals, als er noch lebte, vor einer Leinwand und um einem Diaprojektor versammelt. Wir hatten uns vorgenommen, die schönsten Bilder herauszusuchen, um sie zu digitalisieren und so für die familiäre Nachwelt zu retten. Dann erschienen sie, die altbekannten Motive aus dem Urlaub in den Bergen, auch mal an der See. Erinnerungen wurden wach. Geschichten erzählt. Richtig lebendig wurde es im Wohnzimmer immer dann, wenn Menschen, meistens wenn wir selber, erschienen. „Um Gottes Willen, mach das weg!“ „Die Schlaghosen, ohh nein!“ „Und die Badekappe im See: das geht doch gar nicht!“ Erstaunlich war, dass gerade diese unmöglichen Bilder Gnade vor den Augen der Familie fanden - und gerettet wurden.
Wir fotografieren alle gern in unserer Familie. Die Bilderauswahl, die wir an diesem Dia-Abend selber trafen, hat uns aber nachdenklich werden lassen. Wie oft fotografieren wir schöne Landschaften, Sonnenuntergänge und schöne Gebäude. Die unseres Vaters wurden alle aussortiert. Die mit den Menschen drauf wurden gerettet. Warum?
Ich habe den Eindruck: dahinter steht der menschliche Wunsch zu wissen: „Wer bin ich wirklich?“ Unsere abendliche Diaschau macht mir klar: Wer ich wirklich bin, entscheidet sich auch daran, wie andere mich sehen. Der Fotograf zeigt uns, wie er uns sieht. Und das ist eben ein anderer Blick, als wenn wir uns selber im Spiegel betrachten. In der Bibel heißt es: „Wir sehen jetzt durch einen Spiegel ein dunkles Bild; dann aber von Angesicht zu Angesicht. Jetzt erkenne ich stückweise; dann aber werde ich erkennen, wie ich erkannt bin.“ (1. Kor. 13,12)
Wer ich wirklich bin, entscheidet sich daran, wie Gott mich sieht. Davon gibt es allerdings keine Fotografie. Dieses Bild werden wir sehen, wenn Gott es mit uns gemeinsam anschaut.