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Becker, Michael

Eine Sendung von

Evangelischer Pfarrer, Kassel

Zauberworte und Menschenfreundlichkeit

Zauberworte und Menschenfreundlichkeit

Es gibt Zauberworte, da leuchten viele Augen. Zwei davon sind: Ultra und Extrem. Das liest man heute nicht mehr nur auf Nahrungsmitteln, sondern auch im Sport. Es gibt Extremläufer, die schaffen wollen, was niemand schafft: 700 Kilometer laufen oder stramm gehen in sieben Tagen - bei minus 40 Grad in Kanada. Nachts im Zelt, das in fünf Minuten aufgebaut werden muss, weil sonst Erfrierungen drohen. Zusätzlich drohen noch Verwirrungen der Sinne bei denen, die nachts durchlaufen müssen, weil sie es sonst nicht schaffen in sieben Tagen. Ultra und Extrem, das hebt aus der Masse hervor. Marathon kann fast schon jeder, aber bei minus 40 Grad in Schnee und Eis, das ist ’was. Da kann man sich und anderen etwas beweisen: Stärke vielleicht, Größe, Ausdauer; man erhebt sich über andere.

Dazu muss man aber nicht extrem sein oder ultra, sage ich jetzt allen, die wie ich niemals in Kanada laufen. Auch nicht in der Sahara. Man muss nicht ultra sein, um ein richtiger Mensch zu sein. Man muss nicht in höchste Höhen oder tiefste Tiefen, um sich und anderen Größe oder sonstwas zu beweisen. Gott sei Dank muss man das nicht. Es geht viel alltäglicher. Der größte Gewinner ist für mich immer der Mensch, der so eine tiefe Freundlichkeit hat. Der ist nicht mit allem einverstanden und grinst auch nicht dauernd, nein, den meine ich nicht. Ich meine das Freundlich sein, das aus der Seele kommt. Weil er oder sie weiß: Ich bin nicht besser. Ich habe auch Ecken und Kanten, die überspiele ich nicht. Und manchmal eine Traurigkeit, die nicht zu trösten ist. Solche Menschen sind meine Helden. Sie verwandeln ihren Schmerz nicht in Extreme oder Ultras, sondern in Menschenfreundlichkeit. Noch besser: In Herzlichkeit. Sie sind keine Übermenschen, sondern einfach Menschen. Und freundlich zu denen, die auch Menschen sind. Für diese stillen Helden ist auch ein Wort erfunden worden, nämlich Sanftmut. Mutig im Leben, dabei aber sanft, ohne jedes Extrem. Man merkt ihnen an, dass sie selig sind.