Die Größe eines Großen
Er hat zwar verloren, aber es wird sein Glückstag. Elf Tore kassiert er beim Spiel seines Vereins gegen die Großen. Elf Tore, das ist für einen Torwart die Hölle. Sicher, sie spielen sonst in der siebten Spielklasse. Und heute gegen eine Mannschaft aus der ersten Klasse. Verlieren war sonnenklar, aber so hoch...? Dann ist da noch der Weltstar in der Mannschaft der ersten Klasse: Raul aus Spanien. Eine Lichtgestalt des Fußballs. Der schießt auch zwei Tore von den elf. Die nimmt man gerne in Kauf als Torwart. Nach dem Spiel drängen sich alle Spieler aus dem Dorfverein um Raul, wollen sein Trikot. Wenigstens dieses Andenken an die große Niederlage gegen den Großen. Und was macht Raul?
Raul ist nicht nur ein großer Spieler, er hat auch Größe. Er geht zum Torwart, der gerade elf Tore kassiert hat, darunter zwei von ihm, Raul. Und fragt den Torwart: Willst du mein Trikot? Der Torwart ist fassungslos. Der Große aus der ersten Reihe kommt zu mir, dem Kleinen aus der siebten Liga? Alle wollen dieses Trikot, und er kommt zu mir? Dann sagt der Torwart schnell: Ja, natürlich gerne. Und nimmt das Trikot, hält es stolz in die Kamera. Gerade hat er haushoch verloren, nun ist es sein Glückstag.
Siegen kann jeder. Gewinnen nicht. Gewinnen heißt nämlich: den Verlierer aufrichten. Wenn man gewinnt, darf man dem Verlierer nicht auch noch hinterher lachen, ihn nicht demütigen oder zur Schnecke machen, wie man so sagt. So siegen kann jeder. Gewinnen aber ist die Kunst. Den Verlierer im Augenblick des Sieges aufrichten, heißt ihn gewinnen. Ihm geben, was er jetzt braucht: eine Anerkennung. Du hast zwar verloren, aber ich will dich trotzdem gewinnen. Im besten Fall zu einem, der nicht schlecht von mir denkt. So sehen Gewinner aus: Sie saugen keinen Honig aus dem Sieg auf Kosten der Verlierer. Lieber richten sie die Verlierer auf. Und sagen: Komm, nimm meine Hand, steh wieder auf. Du hast zwar verloren, aber du bist kein Verlierer.