Bei sich selber anfangen
Ich möchte eine Geschichte über die Liebe erzählen. Es ist eine Liebesgeschichte und zugleich erzählt sie, wie ein Mann sich selbst besinnt und aus einem Fehler lernt. Ich habe die Geschichte selber erzählt bekommen. Sie gefällt mir, weil sie einen wunderbaren, überraschenden Schluss hat und zuversichtlich stimmt.
Ein verliebter Mann klopft an die Tür seiner Freundin. Die junge Frau hört das Klopfen und fragt von drinnen: „Wer ist da?“ „Ja, wer wohl. Ich bin`s“, antwortet der Verehrer voller Erwartung auf die Begegnung mit seiner Verehrten. Aber er kriegt eine gehörige Abfuhr. „Du kannst wieder gehen!“ Die Geliebte weist ihren Freund ab, schickt ihn nach Hause. Einen Satz gibt sie ihm noch mit auf den Weg: „In diesem Haus ist kein Platz für uns beide“, meint sie. Der Verehrer denkt wochenlang über den Satz nach. Was wollte sie mir damit nur sagen? Bestimmt Hundertmal geht ihm der Wortwechsel durch Herz und Kopf. „Wer ist da?“ so ihre Frage. „Ich bin`s“, das war seine Antwort. Was war daran verkehrt? Ich will von mir selber absehen, denkt sich der Mann. Er geht mit sich zu Rate und fasst einen weitreichenden Entschluss: Ich fange einfach bei ihr an und nicht bei mir selber. Vielleicht hilft es.
Mit dieser Einsicht wagt er sich noch einmal zum Haus der Freundin. Er klopft wieder an der Tür. Und wieder ruft die Liebste von innen: „Wer ist da?“ Dieses Mal lautet die Antwort anders. Der Mann antwortet: „Du bist es!“ Sofort dreht sich der Schlüssel im Schloß, und es wird ihm aufgetan.
Was ist passiert? Der eine hat sich entwickelt, die andere ist über ihren Schatten gesprungen. Der eine hat über sich nachgedacht und die andere hat das gemerkt. So ist es bei Missverständnissen: Ich fange am besten immer bei mir selber an. Das bleibt nicht ohne Wirkung – bestimmt!