Vor 70 Jahren begann das Unternehmen Barbarossa
Fünf Monate sollte das Ganze dauern, höchstens. Fünf Monate ab dem 22. Juni 1941. Dann würde die deutsche Wehrmacht die Rote Armee geschlagen und die Sowjetunion besiegt haben. Das sogenannte ‚Unternehmen Barbarossa’ war monatelang vorbereitet worden. Und nun, in den frühen Stunden dieses Tages vor siebzig Jahren beginnt die deutsche Luftwaffe Angriffe auf russische Städte zu fliegen. Im ‚Unternehmen Barbarossa’ setzt die deutsche Wehrmacht am ersten Tag 153 Divisionen mit dreieinhalb Millionen Soldaten ein. Auf einer Front von über zweitausend Kilometern zwischen Ostsee und Schwarzem Meer fallen sie in das Gebiet der Sowjetunion ein. Wenn ich diese unglaublichen Zahlen lese, werden mir die ganzen größenwahnsinnigen Ausmaße dieses Überfalls deutlich, die Hybris Hitlers und seiner Generäle.
Dass mich das auch heute, am siebzigsten Jahrestag des Überfalls, noch bewegt, liegt nicht zuletzt daran, dass mein Vater einer von diesen dreieinhalb Millionen deutscher Soldaten gewesen ist, die am 22. Juni den Befehl zum Einmarsch in die Sowjetunion ausgeführt haben. Ein paar Monate vorher hatte er vom zuständigen Wehrmeldeamt Hanau den Einberufungsbefehl erhalten. Und nun war er auf dem Weg von der polnischen Grenze nach Osten, zunächst in Richtung Minsk in Belorussland. Auch er glaubte an den „Blitzkrieg“, schrieb in seinen Feldpostbriefen, dass er hofft, bald wieder daheim sein zu können, „dass ich zu meinem Geburtstag wieder in Deutschland bin!“ Mein Vater hatte im August Geburtstag.
Ich bin ihm Jahre später sozusagen ein Stück nachgereist. War in Polen und in der Sowjetunion, habe mit Menschen in Minsk und Moskau gesprochen. Und habe dann auch die Stelle gesehen, an der der deutsche „Blitzkrieg“ vor den Toren der russischen Hauptstadt zum Erliegen gekommen ist. Mein Vater hat mir danach erzählt, wie das für ihn im Krieg gewesen ist in diesem fremden Land, zwischen Birken und weiten Wiesen. Auch er hatte sich den Krieg als gerechtfertigten „Kampf zweier Weltanschauungen“ zurechtgebogen. Erst viele Jahre später ist ihm deutlich geworden, was für ein Wahnsinn das gewesen ist. In Weißrussland wurde bis 1945 ein Viertel der Bevölkerung getötet.
Ich bin heute zutiefst beschämt über diese Taten unserer Väter und Großväter. Und ich bin aus ganzem Herzen dankbar, dass die Menschen in all den Ländern, mit denen Deutschland Krieg geführt hat, die Größe hatten, sich mit uns auszusöhnen