…und vergiss nicht…
Caesium? – das hatten wir doch schon mal.
Ich habe einen Atomphysiker gefragt, was es mit dem Caesium auf sich hat. Und bevor er mir das mit dem Caesium noch mal erklärt, taucht auch bei ihm das Vergessene auf. „Bei den Bildern im Fernsehen“, sagt er, „sehe ich plötzlich meine Tochter vor mir, wie sie damals vor 25 Jahren an der Wohnungstür stand mit ihrem Puppenwagen und doch nicht raus durfte wegen der radioaktiven Wolke. Tschernobyl."
Nach der Katastrophe von Tschernobyl dachten viele, dass es jetzt ein Ende haben wird mit der lebensgefährlichen Atomenergie. Hunderttausende haben dagegen demonstriert, aber mit der Zeit ist der Protest abgeebbt, setzte das Vergessen und Verdrängen ein. Zwar standen wir hierzulande schon kurz vor dem Ausstieg, weltweit aber wurden mehr Atomkraftwerke gebaut als je zuvor. Und nun zeigt sich: noch nicht einmal das technologische Vorzeigeland Japan kann Atomreaktoren beherrschen.
Die Regierung in Japan versucht zu beschwichtigen und lässt Jodtabletten als Beruhigungstabletten verteilen. Die Chinesische Regierung hat erklärt: keine Gefahr. In Amerika, so hieß es, hat man aufgeatmet. Und deutsche Politiker meinten: Deutschland wird’s nicht treffen. Hier seien die Reaktoren sicher. Das macht mich fassungslos, denn die Bilder, die alle sehen konnten, sprechen eine andere Sprache.
Ein Nachbar erzählte, wie er nach all den Bildern geträumt hat, riesige Wassermassen wären durch unsere Straße geströmt.
Aber was hier ein Schrecktraum ist, das ist in Japan verzweifelnde Wirklichkeit. Wir schauen im Fernsehen zu, dass Japaner zusehen müssen, wie ihre Straßen, ihre Häuser, ihre Autos, alles, alles von unvorstellbaren Fluten weggespült werden. Und viele Menschen, Kinder auch, kommen darin um. Und dazu nun – eben die atomare Katastrophe.
Vergiss nicht, was Gott dir Gutes getan hat, sagt die Bibel, aber sie sagt auch: das andere sollst du ebenfalls nicht vergessen. Vergesst nicht, was ihr gesehen habt, die Fluten und die explodierenden Türme.
Erinnern ist das Gegenteil von „unter den Teppich kehren“. Erinnern in der Bibel ist ein Zukunftswort. Es eröffnet einen Weg, wenn aus dem Geschehenen gelernt wird. Im Alten Testament steht: „Erinnere dich und vergiss nicht, damit du lebst!“