Frieden wächst im Kleinen
Ein neuer Lebensabschnitt meines Kindes stand für uns in diesem April an. Die Kindergartenzeit hat begonnen. Meine Tochter ist nun also ein echtes Kindergartenkind. Die Eingewöhnung lief verhältnismäßig entspannt, und sie fühlt sich seither wohl. Ich bin stolz, dass sie schon viele neue Freunde gewonnen hat. Aus meinem anfänglich schüchternen Mädchen ist inzwischen ein Kind geworden, das genau weiß, wo es sich innerhalb des Kindergartens am liebsten aufhält und was es sich morgens in seiner Frühstücksdose wünscht.
Manchmal ergibt es sich, dass ich einige Minuten vor der Abholzeit da bin. Ich genieße es, die Kinder am Spielplatz zu beobachten. Sie lachen, spielen Fangen und klettern. Es ist, als würde ich ein kleines Stück Paradies sehen: Unbeschwertheit, Freude, Lebenslust. Plötzlich entdecke ich mein Kind, im Sandkasten sitzend, mit einem anderen kleinen Jungen. Sie bauen gemeinsam eine Sandburg. Es ist ein friedlicher Moment – bis sie nach demselben Sandförmchen greifen. Der Blick meiner Tochter verändert sich schlagartig. Auch der kleine Spielkamerad wird plötzlich sauer und ruft laut: „Das ist meins! Damit wollte ich gerade einen Turm bauen!“ – „Nein, es gehört mir!“, erwidert meine Tochter mit Nachdruck.
Lernen, friedlich zu streiten
Was eben noch ein harmonisches Spiel war, wird nun zu einem handfesten Streit. Am liebsten würde ich einschreiten, die Situation auflösen, meinem Kind das Förmchen geben und die Tränen trocknen. Doch ich bleibe stehen. Irgendetwas in mir sagt: Lass es geschehen.
Nach kurzer Zeit bemerkt eine Erzieherin den Streit. Sie geht zu den Kindern, hockt sich zu ihnen hin. Ich vermute, dass sie den Kindern vorgeschlagen hat, sich mit den Sandförmchen abzuwechseln. Beide Kinder nicken, etwas zögerlich, aber sie nicken. Meine Tochter füllt noch einmal das Förmchen und gibt es dann tatsächlich ab. Der kleine Junge übernimmt und baut seinen Turm. Die Situation entspannt sich – und ich merke, wie auch in meinem Bauch der Druck nachlässt. Ich atme auf. Ein kleiner Frieden ist entstanden – mitten im Sandkasten.
Früh übt sich: Die Kunst des Aufeinander-Zugehens
Musik
Auf dem Heimweg bleibe ich gedanklich noch lange an dieser Szene hängen. Der Alltag im Kindergarten ist ein kleines Trainingsfeld für das ganze Leben. Hier wird gestritten, hier werden Grenzen getestet, hier wird ausprobiert, was geht – und was nicht. Aber hier geschieht auch etwas Wunderschönes: Kinder lernen, sich zu vertragen. Sie lernen, zu teilen. Sie lernen, aufeinander zuzugehen.
Manchmal kostet das Überwindung – warum sollte das Kindern leichter fallen als uns Erwachsenen? Aber genau das macht Leben in Gemeinschaft möglich. Die Bibel ermutigt uns dazu: „Ertragt einander und vergebt euch gegenseitig … wie der Herr euch vergeben hat, so vergebt auch ihr!“ (Kol 3,13) Das ist eine große Einladung – und gleichzeitig eine Herausforderung. Denn Frieden ist nichts, was von selbst bleibt. Er will geübt werden, jeden Tag neu. Heute, am Internationalen Tag des Friedens, denke ich besonders darüber nach.
Eine Minute Stille für den Frieden in unserer Welt
Die Vereinten Nationen haben diesen Tag ausgerufen, damit wir uns erinnern: Wir alle tragen Verantwortung für Frieden. Um 12 Uhr heute Mittag halten Menschen auf der ganzen Welt eine Minute Stille. Eine Minute, in der wir gemeinsam daran denken: Frieden ist möglich.
Wenn ich die Nachrichten anschalte, scheint dieser Begriff manchmal wie Hohn. Kriege in verschiedenen Regionen, Gewalt, Hass, Streit – Frieden wirkt dann wie ein unerreichbarer Traum. In dieser Spannung höre ich Jesu Worte aus dem Johannesevangelium: „Frieden hinterlasse ich euch, meinen Frieden gebe ich euch.“ (Joh 14,27) Das ist kein oberflächliches „Alles wird gut“. Es ist ein tiefer Friede, der in uns beginnt. Er kommt nicht von außen, er wird uns geschenkt – von Gott selbst.
Ich spüre das auch in meinem Alltag als Mama: Wenn alles drunter und drüber geht, wenn Termine, Sorgen und Konflikte auf mich einstürmen, dann kann ich unruhig und gereizt werden. Aber wenn ich mir bewusst Zeit nehme – zum Atmen, zum Beten, zum Innehalten –, dann merke ich, wie etwas in mir zur Ruhe kommt. Und der wunderbare Nebeneffekt ist: Dieser Friede färbt ab. Auf meine Familie, auf mein Kind. Plötzlich werden die Dinge leichter. Ich glaube: Innerer Friede ist ansteckend.
Lasst den anderen sein - so geht Frieden
Musik
Wenn ich an die Worte von Mutter Teresa denke – „Friede beginnt mit einem Lächeln“ –, dann wird mir klar: Es müssen nicht immer große Gesten sein. Manchmal ist es das freundliche Lächeln an der Supermarktkasse. Eine ehrlich gemeinte Entschuldigung. Ein Anruf bei einem Menschen, mit dem man schon lange keinen Kontakt mehr hatte.
Frieden wächst im Kleinen. Dort, wo einer den Mut hat, den ersten Schritt zu tun. Dort, wo einer nachgibt. Dort, wo einer nicht auf seinem Recht beharrt.
Und vielleicht ist genau das unser Auftrag heute, am Tag des Friedens: ein kleines Zeichen setzen. Ein Stück Frieden weitergeben. Ich glaube, Gott freut sich über jeden kleinen Frieden, den wir stiften. So wie ich mich gefreut habe, als meine Tochter dem kleinen Jungen das Förmchen gegeben hat. Das war kein großes Ereignis – aber es war ein kleiner Schritt hin zu einem Gefühl von Frieden, hin zu einem Miteinander. Vielleicht können wir uns heute daran erinnern: Jeder von uns kann ein Friedensstifter sein. Dort, wo wir leben. Mit einem Blick, einem Wort, einer Geste. Und wenn wir das tun, dann wird aus einem kleinen Lächeln vielleicht ein großer Friede.
Dazu ermutige ich Sie - heute und an jedem anderen Tag - mit einem Gebet, das den Frieden halten, bewahren und beschütze soll und uns Kraft gibt, Frieden weiterzugeben.
„Guter Gott, wir sehnen uns nach Frieden – in unserer Welt, in unserem Land, in unseren Familien und in unseren Herzen.
Du siehst, wo wir miteinander streiten, wo wir uns schwer tun, einander zu vergeben, wo wir selbst unruhig sind.
Schenke uns deinen Frieden, der tiefer ist als alles, was wir selbst machen können.
Hilf uns, Frieden zu stiften – mit einem freundlichen Wort, mit einem Lächeln, mit einem ersten Schritt aufeinander zu.
Segne alle, die heute besonders auf Frieden hoffen: die Kinder in den Kindergärten, die Familien in ihren Häusern, die Menschen in Kriegs- und Krisengebieten.
Dein Friede erfülle uns – und fließe von uns weiter in diese Welt."
Nutzen Sie diesen Tag heute, nutzen Sie die Stille, um für den Frieden zu bitten. Denn Frieden ist mehr als die Abwesenheit von Krieg; Frieden wohnt in uns und ist ein Geschenk Gottes.