hr1 SONNTAGSGEDANKEN
hr1
von Winterfeld, Charlotte

Eine Sendung von

Evangelische Pfarrerin, Frankfurt

Wir haben einen Gott mit Humor

Wir haben einen Gott mit Humor

Gleich nach der Renovierung der Kirche kommt es zum Eklat.

Als das Gerüst stand, hat man nämlich auch die großen Rundbogenfenster gründlich geputzt. Darum fällt das Licht jetzt ganz anders in den Kirchenraum. Die Morgensonne blendet auf manchen Plätzen ziemlich stark. Richtig Streit hat es schon deswegen gegeben. Eine engagierte Kirchenvorsteherin hat die Sache in die Hand genommen und meldet sich bei einer Sitzung zu Wort. Sie habe mit einer Firma gesprochen: Die Anbringung von Vorhängen sei kein Problem, zwei große Spenden für das Vorhaben seien schon eingegangen. Auch habe sie bereits den Stoff in hellem Grün gewählt und genäht. In der nächsten Woche würden sie dann angebracht, die Vorhänge.

Dem Pfarrer sinkt das Herz in die Hose: Kirchenfenster mit Vorhängen, wo gibt’s denn so was? Was für eine schreckliche Idee! Aber wie soll er der guten Frau das beibringen, nachdem sie so tatkräftig alles in die Wege geleitet hat? Kirchenfenster mit Vorhängen, ein Albtraum! Er guckt sich in der Runde um. Selbst die, die auch etwas gegen die blendende Sonne unternehmen wollen, wirken nervös. Die Kirchenvorsteherin ist am Ende ihres Vortrags angelangt. Betretenes Schweigen. Dann fragt sie leise: „Wisst ihr eigentlich, welches Datum heute ist?“ Nach und nach hellen sich die Gesichter auf, Erleichterung weit und breit, einige schmunzeln. Schließlich hat es auch der Pfarrer begriffen und muss laut lachen: Es ist der erste April, und die Kirchenfenster mit Vorhängen waren nur ein Scherz, ein Aprilscherz. Nach diesem Abend ist das Problem vom Tisch, alle sind sich einig: Nein, Vorhänge brauchen wir keine, die Sonne ist in der Kirche willkommen.

Diese Kirchenvorsteherin hat wirklich Humor. Sie hat mit den Vorhängen eine ziemlich abwegige Lösung ins Spiel gebracht. Dadurch haben alle Beteiligten gemerkt, dass sie das Problem viel zu ernst genommen hatten. Sie konnten die Sache plötzlich aus einem anderen Blickwinkel betrachten und mit der nötigen Distanz sehen. So was geht am besten mit Humor, mein Thema heute am 1. April.

MUSIK

Das Thema Humor ist schon immer beliebt. Wenn gefragt wird: „Welche Eigenschaften sollte mein Partner haben?“ rangiert der Humor immer unter den TOP 3. Das Thema Humor kommt in Gesprächsrunden vor, in Talkshows und Büchern. Eckart von Hirschhausen zum Beispiel, der Mediziner, Bestsellerautor und Show-Moderator, sagt: Humor hilft heilen. Und der Autor Hellmuth Karasek hat gerade erst ein Buch veröffentlicht mit dem Thema „Soll das ein Witz sein? Humor ist, wenn man trotzdem lacht“.

Eine gute Definition von Humor, finde ich. Denn wer Humor hat, kann darüber lächeln, dass die Realität nicht so ist, wie man es sich wünscht. Wer Humor hat, lässt sich nicht von dem überwältigen, was schwer ist im Leben. Indem man über Probleme lacht, werden sie relativiert. Der Schriftsteller Erich Kästner sagte mal: „Der Humor ist der Regenschirm der Weisen.“

Im Gegensatz zum Zyniker und zum Spötter verletzt der Humorvolle den anderen Menschen nicht und lacht nicht auf Kosten anderer, sondern zeigt Solidarität. Er weiß, dass er selbst schnell an der Stelle des anderen sein könnte.

Wenn Humor also dazu beiträgt, heiter und gelassen mit dem Ernst des Lebens umzugehen, dann ist er auf jeden Fall eine tolle Eigenschaft. Mir hilft Humor, mich selbst und meine Probleme nicht so wichtig zu nehmen. Schade nur, dass man Humor nicht so einfach lernen kann. Ich jedenfalls merke, dass es mir nur manchmal gelingt, in schwierigen Situationen humorvoll und gelassen zu bleiben.

Deshalb schätze ich Menschen, die mir einen humorvollen Blick auf mein Leben ermöglichen. Und auch Gott hilft mir dabei: Denn ich stelle mir vor, wie er schmunzelt, wenn ich mich zu wichtig nehme. Manchmal schickt Gott mir dann jemanden vorbei, so dass ich über meinen eigenen Schatten springen kann.

Ein Beispiel: Ich habe es einfach nicht so mit der Mode und dem Schickmachen. Besonders als Jugendliche haben da viele an mir gezerrt: „Wie siehst du denn aus? Was, das willst du anziehen? Nimm doch mal ein bisschen Schminke. Wie wäre es denn mit Nagellack?“ Gut gemeint war das und doch schmerzhaft. Ich habe mich sogar gefragt, ob ich vielleicht ein Modemuffel-Gen geerbt habe.

Vor kurzem wollte ich mich schminken und habe mein Schminkzeug gesucht. Noch nicht mal das richtige Wort für Lidschatten und Wimperntusche ist mir eingefallen. „Gib mir doch mal das Äh – Augenlidermalzeug“, habe ich meinem Mann gesagt. Eine tolle Wortschöpfung. Am nächsten Tag lag ein Zettel auf meinem Schreibtisch. Da stand drauf: Augenlidermalzeug, copyright by Charlotte von Winterfeld. Da konnte nicht anders, ich musste schmunzeln über mich selbst und meine Art. Und dann habe ich mich geschminkt, zum ersten Mal mit guter Laune.

MUSIK

„Hat Gott eigentlich Humor?“, hat mich mal ein Konfirmand gefragt. Wahrscheinlich konnte er sich das nicht vorstellen. Lachen passt für viele irgendwie nicht zu Gott und Kirche. In der Bibel kommt das Wort „Humor“ tatsächlich nicht vor. Gott ist barmherzig und hat Mitleid. Gott ist groß und mächtig. Aber hat Gott Humor?

Das ist eine wichtige Frage. Es ist die Frage danach, wie wir uns Gott vorstellen und was wir ihm zutrauen.

Wir Menschen haben Humor. Und da wir nach dem Bild Gottes geschaffen sind, vermute ich, dass Gott selbst auch Humor hat. Von Jesus ist überliefert, dass er sich gefreut hat, dass er geweint hat, dass er wütend war und Angst hatte. Warum sollte er dann nicht auch ab und zu humorvoll gewesen sein? Ausgeschlossen ist das jedenfalls nicht.

Ziemlich gelassen geht der große Missionar Paulus mit der Situation um, als bei einer seiner stundenlangen Predigten ein junger Mann einschläft. Der Raum, in dem er predigte, war voll, so dass einige auf der Fensterbank sitzen mussten. Im Schlaf stürzt der junge Mann von seiner Fensterbank und verletzt sich. Paulus hätte beleidigt sein können. Denn ist das Einschlafen nicht ein Zeichen von Desinteresse dem Thema Gott gegenüber? Aber Paulus geht sofort zu dem jungen Mann und hilft ihm. Kommentarlos setzt er danach seine Predigt fort. Es gibt keine Ermahnung und keinen Tadel. Für mich ist diese Geschichte wie ein Wink Gottes, der durch Paulus zu verstehen gibt: „Ich nehme mich selbst nicht so ernst. Auch wenn es um mich geht, darf man mal abschalten. Das nehme ich nicht übel.“

Auch im Film wird Gott oft humorvoll dargestellt. In der Komödie „Bruce Allmächtig“ aus dem Jahr 2003 zum Beispiel. Die Hauptfigur Bruce ist ein Fernsehreporter bei einem Lokalsender. Ihn nervt seine Arbeit, eine Aufstiegschance ist gerade geplatzt, und dann wird ihm auch noch gekündigt. Er macht Gott dafür verantwortlich. Da begegnet Gott ihm unter vier Augen, ein dunkelhäutiger Mann in weißem Anzug, sehr sympathisch, ein humorvoller Typ, der ihn oft ironisch auf die Schippe nimmt.

Gott schlägt ihm vor: „Mach doch mal selbst meinen Job!“ Bruce bekommt so für eine begrenzte Zeit Gottes Fähigkeiten und hat ungeahnte Macht. So erobert er seinen Job zurück, steigt beruflich auf und zaubert seiner Freundin größere Brüste. Schwierig wird es, als seine Freundin ihn verlässt und er sie zwingen will, bei ihm zu bleiben. Das klappt nämlich nicht. Der freie Wille des Menschen ist die Grenze von Gottes Macht. Bruce fragt Gott verzweifelt: „Wie kann man jemanden dazu bringen, einen zu lieben, ohne in seinen freien Willen einzugreifen?“ Gott schmunzelt und sagt: „Willkommen in meiner Welt, wenn du das herausgefunden hast, dann sag mir Bescheid!“

Die Geschichten vom Mann, der bei einer Predigt einschlief, und von Bruce Allmächtig zeigen mir das Bild von einem humorvollen Gott. Auch Martin Luther, Begründer der Reformation, hat gesagt: „Wenn Gott keinen Spaß verstünde, so möchte ich nicht im Himmel sein.“ Ihm war es wichtig, dass Gott Humor hat. Mir ist es das auch. Gott hätte bestimmt auch an den vielen Scherzen heute am 1.April seinen Spaß.