1. Jubilate
Der heutige Sonntag trägt einen schönen Namen: „Jubilate“. Was gibt es denn zu bejubeln? Nun, wir befinden uns in der Zeit zwischen Ostern und Pfingsten. Das ist, kirchlich gesehen, eine Freudenzeit. Ostern feiern wir den Sieg über Sünde, Tod und Teufel. In den Psalmen, die in den Gottesdiensten zwischen Ostern und Pfingsten gesungen und gebetet werden, wird diese Freude weitergetragen. „Jubilate“ ist das Anfangswort des Psalms für den heutigen Sonntag. Ursprünglich wurde die Messe ja in lateinischer Sprache gefeiert. In Martin Luthers Übersetzung lautet der Sonntagspsalm:
Sprecher/in:
Jauchzet Gott, alle Lande!
Lobsinget zur Ehre seines Namens; rühmet ihn herrlich!
Sprecht zu Gott: Wie wunderbar sind deine Werke!
Deine Feinde müssen sich beugen vor deiner großen Macht.
Alles Land bete dich an und lobsinge dir,
lobsinge deinem Namen. (Psalm 66,1-4)
Autor:
Dieses Lobsingen kann in einem einzigen biblischen Wort erklingen: „Halleluja!“ Auf Deutsch bedeutet Halleluja: „Lobe den Herrn“. Wir verdanken das Halleluja der jüdischen Frömmigkeit, denn es ist im Liederbuch Gottes zuhause, im Buch der Psalmen. Es ist die Quelle aller Lobgesänge in den Synagogen und Kirchen. In jedem Halleluja erklingt die Dankbarkeit für Gottes Segen, für seine Rettungstaten, - sei es die Befreiung aus der ägyptischen Sklaverei unter Mose oder sei es der österliche Sieg über den Tod durch Jesus. Auch ganz persönliche Erfahrungen von Glück und Segen können in einem Halleluja erklingen.
Es ist ein schöner Gedanke, dass die Christenheit diesen Grundton aller Freude mit dem jüdischen Volk teilt, wie übrigens auch ein zweites Wort: das ist das Wort Amen. Amen heißt auf Deutsch „So ist es“ oder „so sei es“. Man könnte sagen: Der Gottesglaube ist in dem Spannungsbogen zwischen Halleluja und Amen zuhause. Da wir uns derzeit im „Jahr der Kirchenmusik“ befinden, lohnt es sich ganz besonders, aus dieser Quelle zu schöpfen.
MUSIK
2. Das Halleluja-Orchester
Das Buch der Psalmen spiegelt die ganze Palette menschlicher Erfahrungen und Empfindungen: Freude und Trost, Einsamkeit, Schmerz bis zur Todesangst. Denn Psalmen sind gesungene Gebete. Und selbst in schwersten Schicksalsschlägen und tiefer Verzweiflung trägt die Betenden der Grundton der Hoffnung und des Gottvertrauens. Dabei setzt sich bis zum Ende des Psalmenbuches das Halleluja mehr und mehr durch. Der 150. Psalm schließlich bildet den krönenden Abschluss mit einem grandiosen Halleluja. Dazu bietet er ein eindrucksvolles Orchester auf: Posaunen, Psalterium und Harfen, Pauken, Pfeifen und Saitenspiel sowie Zimbeln erklingen zum Lob Gottes. Dazu wird gesungen und getanzt.
Der nicaraguanische Priester und Dichter Ernesto Cardenal hat die Psalmen so übertragen, dass unsere heutige Welt in ihnen gegenwärtig ist. Die biblischen Instrumente Psalter und Harfe, Pfeifen und Zimbeln werden zu Bratschen und Saxophonen, zu Gitarren und Plattenspielern.
Sprecher/in:
Lobet den Herrn des Kosmos,
das Weltall ist sein Heiligtum
mit einem Radius von hunderttausend Millionen Lichtjahren.
Lobt ihn
den Herrn der Sterne
und der interstellaren Räume,
Lobt ihn
den Herrn der Milchstraßen
und der Räume zwischen den Milchstraßen,
Lobt ihn
den Herrn der Atome
und der leeren Räume zwischen den Atomen
Lobt ihn
mit Geigen, mit Flöten
und Saxophon,
Lobt ihn
mit Klarinetten und Englisch Horn,
mit Waldhörnern und Posaunen,
mit Flügelhörnern und Trompeten,
Lobt ihn
mit Bratschen und Violoncelli,
mit Klavieren und Pianolen,
Lobt ihn
mit Blues und Jazz
und Sinfonieorchestern,
mit den Spirituals der Schwarzen
und der Fünften von Beethoven,
mit Gitarren und Xylophonen,
Lobt ihn
mit Plattenspielern und Tonbändern,
Alles was atmet
lobe den Herrn,
jede lebendige Zelle,
Halleluja!
MUSIK
3. Halleluja im Himmel
Autor:
Im Neuen Testament kommt das Wort „Halleluja“ nur an einer einzigen Stelle vor, und zwar im letzten Buch der Bibel, in der Offenbarung des Johannes. Dort wird im 19. Kapitel ein gewaltiger himmlischer Triumphgesang angestimmt. Eine machtvolle Stimme beginnt, und nacheinander antworten drei verschiedene Chöre. Insgesamt viermal erklingt das Halleluja. Das alles ist Teil der grandiosen Vision des Apostels Johannes. Da heißt es:
Sprecher/in:
Ich hörte im Himmel etwas wie eine große Stimme einer großen Menge, die sprach: Halleluja! Das Heil und die Herrlichkeit und die Kraft sind unseres Gottes! Denn wahrhaftig und gerecht sind seine Gerichte, dass er die große Hure verurteilt hat, die die Erde mit ihrer Hurerei verdorben hat. Er hat das Blut seiner Knechte gerächt, das ihre Hand vergossen hat. Und sie sprachen zum zweiten Mal: Halleluja! Und ihr Rauch steigt auf in Ewigkeit. Und die vierundzwanzig Ältesten und die vier Gestalten fielen nieder und beteten Gott an, der auf dem Thron saß, und sprachen: Amen, Halleluja! Und eine Stimme ging aus von dem Thron: Lobt unsern Gott, alle seine Knechte und die ihn fürchten, Kleine und Große! - Und ich hörte etwas wie eine Stimme einer großen Schar und wie eine Stimme großer Wasser und wie eine Stimme starker Donner, die sprachen: Halleluja! Denn der Herr, unser Gott, der Allmächtige, hat die Herrschaft angetreten! (Offb 19,1-6)
Autor:
Was wird denn da besungen? Und was macht die „große Hure“ in dem Lied? Das ist eine symbolische Gestalt, - die „große Hure Babylon“. Als Johannes sein Buch schrieb, hatten die Christenverfolgungen begonnen. Deshalb wurden manche Namen verschlüsselt. „Babylon“ ist hier also eine Art Geheimcode; der Name steht für das römische Weltreich und seine Kultur: eine Kultur der Gewalt, aufrechterhalten durch eine gigantische Militärmaschine. Im Jahre 70 nach Christus hatte Rom Jerusalem aufs grausamste verwüstet. Das Allerheiligste war geschändet und der Tempel zerstört. Nun herrschten heidnische Götter in der heiligen Stadt.
Die „Hure Babylon“ steht auch für das ungerechte Wirtschaftssystem der damaligen Zeit. Menschen wurden versklavt und wie Waren verkauft. Auf Kosten der Armen häuften die Reichen unermessliche Schätze an. Es herrschte Korruption; ohne Bestechung kam man nicht weit. - Das alles kommt uns irgendwie bekannt vor und auch die Sehnsucht der kleinen, verfolgten christlichen Minderheit: diese verdorbene, auf Gewalt und Gier errichtete Welt möge untergehen. Vor allem in Krisenzeiten flammt immer wieder das Verlangen nach dem Ende der alten Welt und dem Erscheinen einer neuen auf. Diese Sehnsucht ist nachvollziehbar, auch wenn bekanntlich die Berechnung eines festen Datums für den Weltuntergang sinnlos ist.
Damals sieht der Seher Johannes den Untergang seiner antiken Welt voraus. Und er erfährt, dass Gott bei den Seinen ist. Ihre Bedrängnis und ihr Martyrium werden ein Ende finden. Gott wird bei ihnen wohnen, sagt er; er „wird abwischen alle Tränen von ihren Augen, und der Tod wird nicht mehr sein, noch Leid noch Geschrei noch Schmerz wird mehr sein, denn das Erste ist vergangen." (Offb.21,3+4) Und ein vielstimmiges Halleluja erfüllt den Himmel.
MUSIK
4. Georg Friedrich Händel: Der Messias
Autor:
Kehren wir auf die Erde zurück. Das populärste Halleluja ist sicherlich die grandiose Vertonung dieses Wortes durch Georg Friedrich Händel in seinem Oratorium „Der Messias“. Während der konzentrierten Arbeit an dem großen Werk machte Händel einen Ausflug in die Umgebung, um sich etwas abzulenken. Aber die Musik ging ihm nicht aus dem Sinn, besonders der Schluss des zweiten Teils. Der sollte besonders feierlich werden. Und plötzlich hatte Händel die Musik im Kopf. Jetzt brauchte er dringend Tinte, Feder und Papier. Glücklicherweise befand sich ein Krämerladen in der Nähe. Der Krämer hatte wohl das Schreibzeug, aber leider kein Papier. Doch immerhin eine leere Tüte. „Her damit,“ rief Händel, setzte sich hin und schrieb. Immer wieder brummelte er dabei Hal – le, hal - le, hal – le – lu – ja. Schließlich war die Tüte vollgeschrieben, Händel sagte „Danke“, legte ein Silberstück auf den Tresen und verschwand. - Später wird er sagen, als er den Halleluja-Chor komponierte, habe er „den großen Gott selbst auf seinem Thron und seine ganze Engelschar“ gesehen.
Der „Messias“ war fertig. Händel reiste in die Hauptstadt Irlands, Dublin. Nun brauchte er vor allem einen guten Chor. Das war ein dortiger Kirchenchor. Der zuständige Pfarrer war kein Geringerer als der berühmte Jonathan Swift, der Verfasser von „Gullivers Reisen“ und anderer Literatur. Der wollte aber nicht zulassen, dass ein geistliches Werk wie der „Messias“ in einem Konzertsaal aufgeführt werden soll. Und überhaupt hielt er von solcher Art Musik nichts. Das sei doch eher Opernmusik! Womit er teilweise ja auch Recht hat. Händel gewann schließlich die Zustimmung des Geistlichen, als er sagte: „Es wird ein Konzert für wohltätige Zwecke. So etwas muss doch im Sinn der Kirche sein.“ Also gut, der Chor durfte singen, ein Orchester war auch vorhanden, Solisten ebenfalls.
Am 23. April 1742 wurde der „Messias“ uraufgeführt. Die Damen waren gebeten worden, keine Reifröcke zu tragen, und die Herren hatte man ersucht, ihre Degen abzulegen, damit mehr Menschen im Konzertsaal Platz fanden. Ein Reporter schrieb über die Aufführung:
Sprecher/in:
„Die Worte fehlen, das köstliche Entzücken auszudrücken, welches das Oratorium bei der dichtgedrängten, von Bewunderung erfüllten Hörerschaft auslöste. Das Erhabene, das Großartige und das Zarte, ganz auf den erbaulichen, majestätischen und bewegenden Text abgestimmt, verbanden sich, das verzückte Herz und Ohr zu erregen und zu bezaubern.“
Autor:
Der Komponist und alle Mitwirkenden hatten auf ein Honorar verzichtet. Stattdessen konnten vom Erlös der Aufführung 142 Gefangene aus ihrem finsteren Kerker freigekauft werden. Wegen geringer Vergehen, verübt aus bedrückender Armut, waren sie verurteilt worden. Den unerwartet Freigelassenen mag das großzügige Geschenk Händels wie ein Wunder vorgekommen sein. Ein Halleluja aus vollem Herzen war es allemal wert.
MUSIK
Literaturhinweise
Ernesto Cardenal, In der Nacht leuchten die Wörter. Frühe Gedichte, Epigramme, Psalmen; Wuppertal 1985
Allan Boesak, Schreibe dem Engel Engel Südafrikas. Trost und Protest in der Apokalypse des Johannes; Stuttgart 1988
Till Sailer, Wie Händels Messias entstand; Zürich und Mainz 2002
(Die Musik ist von Johann Sebastian Bach und Georg Friedrich Händel)