hr1 SONNTAGSGEDANKEN
hr1
Auksutat, Ksenija

Eine Sendung von

Evangelische Pfarrerin, Stockstadt

Teamgeist

Teamgeist

Pfingsten ist für mich das Fest vom Teamgeist. Pfingsten erinnert daran, wie wichtig es ist, dass aus dem „Ich“ ein „Wir“ wird.

Schauen wir uns dafür mal drei Bereiche an: Die Kirche, die Gesellschaft und auch den Sport.

Zunächst die Kirche: Pfingsten ist das Fest des Geistes, der die Kirche bewegt. Es gilt als Gründungsfest der Kirche. Aber im Grunde ist es das Fest des Teamgeistes, wie man heute sagen würde. Pfingsten hat aus den verstreut lebenden und verängstigten Anhängern Jesu eine verlässliche und zukunftsfähige Gemeinschaft gemacht.

Denn zuvor war Jesus endgültig von der Erde verschwunden. Zurück blieben seine Jünger und Begleiterinnen. Manche hatten den Auferstandenen gesehen. Andere hatten nur davon gehört, dass Jesus den Tod überwunden hat. Immerhin trauten sie sich inzwischen wieder sich zu treffen.

Und am Wochenende nach der Himmelfahrt Jesus waren sie wieder einmal zusammen gekommen. Sie rangen darum, wie sie das alles verstehen sollten, was in den zurückliegenden Wochen los war. Sie suchten gemeinsam Antworten, Orientierung.

Was sollten sie glauben? Was sollten sie tun?

Es waren ganz normale Menschen, die aber verbunden waren in der Erfahrung, dass Jesus ihnen eine frohe Botschaft gebracht hatte. Jesus hatte jedem Einzelnen von ihnen die Liebe Gottes in Worten und Taten nahe gebracht.

Und einen Auftrag hatte er ihnen am Ende gegeben. Jesus hatte sie losgeschickt: „Gehet hin in alle Welt und lehret sie alles, was ich euch gesagt habe.“

Da saßen sie nun zusammen. Sie redeten, sie fragten, manchmal haben sie auch gestritten. Was ihnen fehlte, war der Teamgeist. Aber dann geschah es: Ein Brausen erfüllt die Luft, und sie wurden von einem Geist beseelt, der sie alle ergriff. Obwohl jeder nach wie vor seine eigene Geschichte hatte, verstanden sie sich plötzlich gegenseitig.

Es war, wie es seit alters her in der Bibel angekündigt war. Im Propheten Joel heißt es, dass Gott seinen Geist ausgießen wird auf alle Menschen. Alt und Jung sollten inspiriert werden. Joel hatte gesagt: „Eure Söhne und eure Töchter sollen weissagen, und eure Jünglinge sollen Gesichte sehen, und eure Alten sollen Träume haben.“ Die Menschen um Jesus kannten die Hoffnung auf diesen Geist Gottes.

Und nun, wenige Wochen nach dem Tod und der Auferstehung Jesu kamen in Jerusalem die Menschen zusammen. Mehr als dreitausend aus der umliegenden Bevölkerung sollen es gewesen sein, die dazu kamen, die vom Geist Gottes erfasst wurden und die sich taufen ließen. In der Apostelgeschichte wird das so beschrieben: „Sie blieben aber beständig in der Lehre der Apostel und in der Gemeinschaft und im Brotbrechen und im Gebet.“ (Apg 2,42)

Der Geist Gottes schweißte nicht nur die zusammen, die von Anfang an dabei waren. Andere stießen dazu: Außenstehende, alte und junge Leute, Männer und Frauen, Soldaten und Offiziere, freie Bürger und Sklaven. Sie alle ließen sich „begeistern“. Der gute Geist Gottes sorgte dafür, dass sie im Glauben einen Halt und eine Hoffnung fanden, sich umeinander kümmerten, den Einzelnen ernst nahmen.

Das ist heute nicht anders als vor 2000 Jahren. Die kirchliche Arbeit etwa in Krankenhäusern, Kindertagesstätten und Seniorentreffs ist auch heute inspiriert von Gottes Kraft. Das tut der ganzen Gesellschaft gut. Davon gleich mehr nach einer kurzen Musik!

II

Pfingsten ist das Fest des Teamgeistes.

Ein Team braucht man, wenn eine Sache nicht so einfach ist. Vielen scheint unsere Welt täglich komplizierter zu werden. Politische, wirtschaftliche und technische Entscheidungen beeinflussen das Leben auf der ganzen Erde. Dabei haben auch mächtige Politiker und Manager längst nicht mehr alles in ihrer Hand. Die Kompetenz vieler Einzelner ist nötig. Aber immer in Zusammenarbeit und enger Abstimmung mit anderen

Wo man sich gemeinsam für eine Sache einsetzt, bleiben Meinungsverschiedenheiten nicht aus. Und das ist ja auch der Unterschied zwischen einer Truppe und einem Team. In der Truppe gibt es einen, der sagt, wo es langgeht. Die übrigen marschieren mit. Befehle ausführen, nicht diskutieren.

Und ein Team braucht Teamgeist, auch in der Politik. Sie ist nicht Selbstzweck. Es geht darum, dass Menschen die Verantwortung übernehmen für das Große und Ganze. Auch sie müssen sich immer wider daran erinnern lassen, dass sie nicht aus Eigennutz handeln dürfen, nicht, um für sich selbst Macht zu gewinnen oder sich die eigenen Taschen zu füllen.

Ziele von Politik in einer demokratischen Gesellschaft sind nach meiner Meinung, der Gemeinschaft ein gutes Leben möglich zu machen, mit dem was erarbeitet und erwirtschaftet wird: Ein Zusammenleben mit einem funktionierenden Gesundheitssystem, behaglichen Wohnungen, guten Bildungschancen für Kinder, beruflichen Perspektiven für die Jugendlichen. Und ein würdiges Leben im Alter. Wenn Christen sich dafür – von Gottes Geist bewegt – einbringen, finde ich das gut.

In Darmstadt gibt es zum Beispiel einen Fonds der evangelischen Kirchengemeinden für Kinder in Not, zu dem viele etwas beitragen. Sie helfen mit, dass den Schwächsten, Kindern in Hartz IV-Familien zum Beispiel, Schulranzen, Hefte und Zuschüsse zu Klassenausflügen ermöglicht werden.

Der heilige Geist Gottes erinnert übrigens die weltweite Christenheit daran, dass dies für alle gelten soll, nicht nur für uns selbst, auch nicht nur für die entwickelten Länder. Wir sollen nicht vergessen, dass wir auf der gesamten Erde ein weltweites Team sind, in dem jeder Mitspieler zählt.

Das kennt doch jeder aus dem Sport. Wie der uns Vorbild sein kann – darüber gleich mehr.

III

Pfingstturniere sind ein Klassiker. Viele Hobby-Teams sind zu Pfingsten gemeinsam unterwegs zu einem Turnier: Reiten, Fußball, Volleyball. Mehr aus Lust am Spiel mit anderen als am erbitterten Wettkampf. Und das passt ja auch gut zu diesem Feiertag. Denn an Pfingsten geht es um das, was aus Einzelkämpfern ein Team macht.

Ein Team hat eine gemeinsame Aufgabe, das ist anders als in der Familie oder einer reinen Freundschaftsclique. Es geht um das „Wir“ zu dem viele „Ich“s sich zusammenfinden. Wie wird aus lauter Einzelpersonen eine Mannschaft, die gemeinsam an einem Strang zieht?

Im Sport ist klar, es geht um den Wettkampf. Man will gemeinsam die gegnerische Mannschaft besiegen. Darum strengen sich alle an, ein Kräftemessen im guten Sinn. Und im Sport wird ein Team vor allem durch den Trainer oder die Trainerin gebildet. Jürgen Klopp, der Trainer vom Deutschen Meister Borussia Dortmund, ist so ein Fußballcoach, der ein Team formen kann.

Und bei der Frauen-Fußball-WM, die in zwei Wochen beginnt, hat Bundestrainerin Sylvia Neid die schwierige Aufgabe, den WM-Kader zusammenzustellen. Körperliche Fitness und Leistungsfähigkeit musste sie dabei genauso berücksichtigen wie die unterschiedlichen Heimatvereine.

Jede Trainerin, jeder Coach, muss den nötigen Sachverstand mitbringen. Und über die nötige Menschenkenntnis verfügen. Klar, man braucht viel gute Spieler, Menschen, die etwas können, in seiner Mannschaft. Doch schwierig wird es, wenn alle sich für Spitzenstars halten. Ein Team aus lauter Primadonnen ist zum Scheitern verurteilt.

Für Einzelkämpfer gibt es viele Alternativen im Sport. Im Team, in der Mannschaft – da muss man sich in den Dienst der Sache stellen können. Der Teamgeist macht aus den individuellen Stärken ein großes Ganzes. Und darin hat auch die ein oder andere Schwäche ihren Platz. Wenn alle sich vor dem Tor als Stürmer aufstellen, hat der gegnerische Angriff leichtes Spiel. Man braucht auch die Verteidiger, die sich im Hintergrund bereithalten.

Der Geist, der an Pfingsten in die Welt kam, ermutigt dazu, zunächst die eigenen Fähigkeiten zu entdecken und sie dann einzubringen. Er erinnert daran, dass niemand allein auf der Welt ist. Das hilft, wenn man sich mal in eine Sackgasse verrannt hat. Oder wenn man sich mit anderen versöhnen will. Was ich am wichtigsten finde: Gott sendet mit diesem Geist eine Kraft zum Leben, eine Macht der Liebe und Verständigung in die Welt.

In diesem Sinne wünsche ich heute und morgen allen: „Frohe Pfingsten“!