
Seid mutig
Ich mag Schwarzwälder Kirschtorte. Zu jeder Tageszeit kann ich sie genießen. So richtig lecker wird die Schwarzwälder Kirschtorte meiner Meinung nach mit einem guten Schuss Kirschwasser darin. Das Kirschwasser durchdringt die ganze Torte und verleiht ihr einen besonderen Geschmack.
Wir feiern Pfingsten. Zwei Tage lang wird dieses wichtige Fest der Christenheit bei uns begangen. Wir feiern die Sendung des Heiligen Geistes. Für mich ist der Heilige Geist so etwas wie das Kirschwasser in der Schwarzwälder Kirschtorte. Der Heilige Geist durchdringt alles, zieht bis in die letzten Ecken und ist überall zu spüren. Er lässt sich nicht aufhalten, keine Barriere ist ihm zu hoch oder zu schwierig.
Der Heilige Geist kann alles durchdringen
Ich mag Pfingsten. Dieses Fest, das neben Ostern und Weihnachten den Glauben prägt. Ein Fest, das für die Kirche auf allen Ebenen und zu jeder Zeit von großer Bedeutung ist. An Pfingsten feiern wir die Sendung des Heiligen Geistes. Wir schauen dabei auch auf die Gaben, die er schenkt. Wir nehmen die Vielfalt wahr, die er zulässt, und freuen uns an ihr. Pfingsten wird in den Kirchen ohne große äußere Vorbereitungen gefeiert. Im Gegensatz zu Ostern und Weihnachten ist der Aufwand an Vorbereitungen gering. Die Gottesdienste unterscheiden sich kaum von der üblichen Eucharistiefeier am Sonntag. Darin liegt eine Stärke.
Die Aufmerksamkeit wird nicht auf Äußeres gelenkt. Nicht auf die Krippe oder den Christbaum wie an Weihnachten, nicht auf die Osterkerze oder die liturgische Vielfalt wie an den Osterfeiertagen. Pfingsten hat all das Äußere nicht. Es wird im Vergleich zu den anderen großen Festen schlichter gefeiert. Und genau darin liegt ein Vorteil. Pfingsten hilft, sich zu konzentrieren, sich auszurichten auf die innere Aussage, sich auf den Festinhalt zu fokussieren: auf die Sendung des Heiligen Geistes, auf die Gaben des Geistes.
Pfingsten wird festlich gefeiert – trotz aller Schlichtheit. Ich singe gerne die Pfingstlieder. Vor allem die Pfingstsequenz1 spricht mich an. Sie lautet:
Komm herab, o Heil’ger Geist,
der die finstre Nacht zerreißt,
strahle Licht in diese Welt.
Komm, der alle Armen liebt,
komm, der gute Gaben gibt,
komm, der jedes Herz erhellt.
Höchster Tröster in der Zeit,
Gast, der Herz und Sinn erfreut,
köstlich Labsal in der Not,
In der Unrast schenkst du Ruh,
hauchst in Hitze Kühlung zu,
spendest Trost in Leid und Tod.
Komm, o du glückselig Licht,
fülle Herz und Angesicht,
dring bis auf der Seele Grund.
Ohne dein lebendig Wehn
kann im Menschen nichts bestehn,
kann nichts heil sein noch gesund.
Was befleckt ist, wasche rein,
Dürrem gieße Leben ein,
heile du, wo Krankheit quält.
Wärme du, was kalt und hart,
löse, was in sich erstarrt,
lenke, was den Weg verfehlt.
Gib dem Volk, das dir vertraut,
das auf deine Hilfe baut,
deine Gaben zum Geleit.
Lass es in der Zeit bestehn,
deines Heils Vollendung sehn
und der Freuden Ewigkeit.
Amen. Halleluja.
1Pfingstsequenz, um 1200, zugeschrieben Stephan Langton, Erzbischof von Canterbury, Übertragung von Maria Luise Thurmair und Markus Jenny 1971
Musik: Wolfgang Amadeus Mozart – CD Mozart Edition / Liturgische Gesänge – Veni sancte Spiritus in C major KV 47
Die Pfingstsequenz ist für mich ermutigend und aufbauend. Ich werde von diesem Text gestärkt und motiviert. Er löst in mir Zuversicht, Hoffnung und Mut aus.
Den Glauben an Jesu bewahren und heute bewusst leben
Was meine ich damit? Die Jünger*innen damals wurden vom Heiligen Geist erfüllt. Sie fanden den Mut, sich aus Angst und Enge zu befreien. Sie konnten dann die Botschaft des gekreuzigten und auferstandenen Herrn in die Welt tragen. Viele haben dafür große Strapazen körperlicher und seelischer Art auf sich genommen. Etliche starben.
Der Mut und die Zuversicht der Jünger*innen damals legte aber den Grundstein für die Ausbreitung des Glaubens und der Kirche. Pfingsten ist das Fest, das uns Mut macht, unseren Glauben in die Welt zu tragen und zur Sprache zu bringen. Dieser Mut der Christ*innen der frühen Kirche schenkt Kraft und Hoffnung. Sich an die junge Kirche zu erinnern, ist eine Kraftquelle. Diese Erinnerung stellt aber auch aktuelle Fragen: Wo, an welchen Stellen dürfen wir heute mutig sein? An welchen Orten und zu welchen Gelegenheiten sind Christ*innen in unserer Zeit „gefragt“? Wie und wo kann ich den Glauben heute zur Sprache bringen und in die Welt tragen?
Pfingsten und der Heilige Geist helfen uns, mutig zu sein. Er lässt uns unseren Gaben nachspüren. Was kann ich besonders gut? Wo liegen meine Talente? Was sind meine Stärken und wie kann ich sie ausbauen? Wir haben oft die Tendenz, vor allem unsere Schwächen sehen. Dann sagen wir uns: Dort, wo ich schwach bin, da muss ich noch etwas ändern. Ja, das mag richtig sein. Pfingsten ändert jedoch die Blickrichtung. Es lädt mich ein, auf meine Stärken zu blicken. Worin liegen Ihre Stärken? Was können Sie besonders gut? Und woran merken das andere Menschen in Ihrem Umfeld? Wie können Sie diese Stärken ausbauen, damit sie noch besser zu Ihnen passen?
Vielfalt ist Wertschätzung jedes Einzelnen
Pfingsten und der Heilige Geist fördern die Verschiedenheit. Die Jünger*innen von damals waren sicher sehr unterschiedlich. Das gilt auch heute. Unsere Erde ist voll Vielfalt und Diversität. Dies spiegelt sich auch im Glaubensleben wider, ja auch in der Kirche. Diese Vielfalt und Diversität zu entdecken, sie als Bereicherung zu verstehen, auch dazu lädt mich das Pfingstfest ein.
„Wir sind keine Puppen“, sagte mir eine Person, als ich mein Sakko zur Änderung in die Schneiderei brachte. Es wurde Maß genommen, welche Länge die richtige sei. Die Person sah, dass meine Arme leicht unterschiedlich lang sind.
„Das macht nichts, das ist normal“, so sagte sie mir auf meinen erstaunten Blick hin. Unterschiede sind normal, sie gehören zu mir. An manchen Tagen fühle ich mich frisch, munter und voller Tatendrang. An anderen Tagen benötige ich viel Motivation, um das Tagespensum zu schaffen. Ich erlebe Unterschiede in meiner Stimme und in meiner Stimmung. Unterschiede gehören zu mir, zu uns, zu unseren Gemeinschaften, zu unserer Kirche. Sie fügen sich oft zu einem Großen und Ganzen zusammen und ergänzen sich. Pfingsten lässt diese Unterschiede zu, ja, es fördert die Vielfalt!
Musik: Erik Satie – CD SATIE: Piano Works Vol. 2 – Caresse
Die Apostelgeschichte berichtet, dass in Jerusalem Menschen aus unterschiedlichen Städten und Regionen zusammenkommen. Die Menschen können – trotz ihrer Unterschiedlichkeit - die Jünger*innen in ihren Sprachen reden hören und verstehen sie. Der Heilige Geist ist das verbindende Element. Wer im und aus dem Geist heraus lebt, dem sind Unterschiede nicht fremd und nicht gefährlich. Wer im und aus dem Geist heraus lebt, sieht auch das Einende zwischen Menschen, Konfessionen und Religionen. Als Zeichen der Gemeinschaft und des gemeinsamen Ursprungs werden heute viele ökumenische Gottesdienste gefeiert.
Eine pfingstliche Kirche ist für mich eine Kirche, die Unterschiede als Bereicherung sieht. Eine pfingstliche Kirche ist für mich eine Kirche, die Diversität schätzt und fördert. Eine pfingstliche Kirche ist für mich eine Kirche, die die Menschen wertschätzt und so annimmt, wie sie sind, in aller Verschiedenheit. Die Unterschiede machen das Leben bunt und fügen sich oft gut zusammen. Eine pfingstliche Kirche schaut auf das Wirken des Heiligen Geistes. Die Jünger*innen von Jerusalem haben den Geist wahrgenommen und erkannt, dass es gilt, hinauszugehen und aufzubrechen. Der Geist Gottes will uns ermutigen, Neues zu probieren, aufzubrechen, Schritte in die Zukunft zu wagen und mit Hoffnung und Zuversicht die Welt zu gestalten. Der Geist Gottes will uns stärken, damit wir uns für eine friedlichere Welt, für die Bewahrung der Schöpfung und für die Menschen einsetzen.
Ich erinnere mich an die Bischöfin der anglikanischen Kirche in Washington, Mariann Edgar Budde2, die in ihrer Predigt dem amerikanischen Präsidenten ins Gesicht geschaut und das Wort für die Menschen ergriffen hat. Sie sagte zu Donald Trump:
„Im Namen unseres Gottes bitte ich Sie, sich der Menschen in unserem Land zu erbarmen, die jetzt Angst haben. Es gibt schwule, lesbische und transgender Kinder in demokratischen, republikanischen und unabhängigen Familien, die um ihr Leben fürchten.“
Später sagte Bischöfin Budde direkt an die Verantwortlichen gerichtet:
„Und die Menschen, die unsere Ernte einbringen und unsere Bürogebäude reinigen; die das Geschirr spülen, nachdem wir in Restaurants gegessen haben und die Nachtschicht in Krankenhäusern arbeiten – sie sind vielleicht keine Staatsbürger und haben nicht die richtigen Papiere, aber die große Mehrheit der Einwanderer sind keine Kriminellen. Sie zahlen Steuern und sind gute Nachbarn. Sie sind treue Mitglieder unserer Kirchen, Moscheen und Synagogen und Tempel.“
2Quelle Budde:https://www.forumkth.net/budde-predigt-amtseinfuehrung-trump
Mutige Worte in unserer Zeit. Worte, die eigentlich Selbstverständliches ausdrücken, aber sie sind mutig, weil die Achtung der Menschenwürde leider kein Konsens mehr ist.
Mutig sein lohnt sich
Mutig sein, das habe ich vor kurzem bei einem jungen Mann erlebt. Er ist in die katholische Kirche eingetreten. Um die Aufnahme in die katholische Kirche zu bitten - das war für ihn ein längerer Weg. Äußere Umstände haben es ihm nicht leicht gemacht, diesen Schritt gehen zu können. Ich spüre bei ihm eine hohe Motivation, ein Interesse am Glauben und eine Freude darüber, jetzt der katholischen Kirche anzugehören. Er hat konkrete Vorstellungen für seine Zukunft und spürt seiner Berufung nach. Für mich ist das ein mutiger Schritt und ein ermutigender Schritt. Ich bin sicher, der Heilige Geist wirkt bei ihm und hat ihn erfüllt, so wie es in einer Strophe der Pfingstsequenz ausgedrückt wird:
Komm, o du glückselig Licht,
fülle Herz und Angesicht,
dring bis auf der Seele Grund.
Musik: Erik Satie – CD SATIE: Piano Works Vol. 2 – Danse de travers No. 1
Eine Brücke zu jungen Gläubigen bauen
Am Freitag hat der neue Firmkurs in unseren Pfarreien Christkönig Borken und Christus-Epheta Homberg begonnen. Über 30 Jugendliche haben sich dazu angemeldet. Für uns als Diaspora- und Flächengemeinde ist das eine hohe Zahl. Wir im Team der Begleiter*innen versuchen, mit den Jugendlichen in Kontakt und ins Gespräch zu kommen. Was bewegt und beschäftigt Dich? Welche Fragen zum Leben und Glauben hast Du? Welche Sorgen und Freuden treiben dich um? Wir sind gespannt, ob uns es uns gelingt, eine Brücke zu den jungen Menschen bauen zu können. Wofür brennst Du? So haben wir den Kurs überschrieben. Dazu finde ich zwei Strophen der Pfingstsequenz passend:
Wärme du, was kalt und hart,
löse, was in sich erstarrt,
lenke, was den Weg verfehlt.
Gib dem Volk, das dir vertraut,
das auf deine Hilfe baut,
deine Gaben zum Geleit.
In der Vorbereitung und der Begleitung der Jugendlichen vertrauen wir auf den Heiligen Geist. Ich freue mich auf den neuen Firmkurs, auf die Begegnungen, auf die Gespräche. Ich schaue erwartungsvoll auf die Themen und Herausforderungen der jungen Menschen und auf den gemeinsamen Weg und die Entwicklung, die uns allen bevorsteht.
Wir feiern Pfingsten, das Kommen des Heiligen Geistes. Ich wünsche Ihnen einen gesegneten Pfingstmontag. Ich wünsche Ihnen, dass Sie Ihre Stärken und Fähigkeiten entdecken und dass wir alle den Mut haben, den Glauben in dieser Zeit zu leben und in die Welt zu tragen. Ich wünsche Ihnen, die Vielfalt und Diversität in unserem Leben, in der Kirche und auf der Welt zu sehen und wertzuschätzen. Ich wünsche Ihnen die Kraft, die von Pfingsten ausgeht, um diese frohmachende Botschaft mutig, stark und beherzt in die Welt zu tragen. Denn:
Gib dem Volk, das dir vertraut,
das auf deine Hilfe baut,
deine Gaben zum Geleit.
Lass es in der Zeit bestehn,
deines Heils Vollendung sehn
und der Freuden Ewigkeit.
Amen. Halleluja.
Musik: Arrangeur Miskinis – Motetten zum Gotteslob - Komm, Heiliger Geist, der Leben schafft
Musikauswahl: Regionalkantor Thomas Pieper, Kassel