
Ostern - ja sagen zur Liebe
Guten Morgen und frohe Ostern!
Da feiert die Christenheit heute und morgen wieder ihr bedeutsamstes Fest! 2000 Jahre Kirchengeschichte und ein Jahreskreis voller christlicher Feiertage von Neujahr bis Weihnachten… Das alles gäbe es nicht ohne das Osterfest, Urmoment und Initialzündung des Christentums. Die Geburtsstunde dieser Religion ist nicht etwa Weihnachten! Nein, auch wenn es merkwürdig klingt, die Wiege des Christentums steht – symbolisch betrachtet – irgendwo zwischen dem Kreuz von Karfreitag und einer Jerusalemer Felsenhöhle. Von der sagen die verstörten Freunde des dort begrabenen Jesus von Nazaret, sie hätten sie am Ostermorgen leer vorgefunden. Jesus sei von den Toten auferstanden…
Das feiern Christinnen und Christen heute und morgen und eine ganze Osterzeit lang, die 50 Tage dauert, bis Pfingsten…
Was haltet ihr von Ostern?
Die freien Feiertage nimmt ja bestimmt jeder gerne mit und Ostereier und Frühlingsgefühle… Aber ich frage mich schon, welche Art von Widerhall hat dieses alte Osterfest in der Welt von heute? Hier bei uns regional im Sendegebiet von hr1 oder weltweit. Bewegt Ostern irgendwen, jenseits des immer kleiner und älter werdenden Häufleins kirchlich gebundener Christ*innen?
Darum möchte ich meine Osterfrage gerne beherzt hinausposaunen in diese Radiowelt: Was haltet ihr von Ostern, Leute!? Glaubt ihr an Auferstehung, wie auch immer man sie sich vorstellen mag? Anders gefragt: Ist für euch mit dem Tod alles aus oder kommt da noch was?
Ja, ja, ich weiß, hier ist Radioeinbahnstraße, da kann mir auf meine Frage niemand antworten, jedenfalls nicht direkt. Per E-Mail wäre großartig und ich reagiere auch bestimmt – versprochen! Aber wichtiger ist, dass Menschen, die diese Fragen an sich heranlassen, nicht mir, sondern sich selbst Antwort geben, was sie von Ostern halten.
Ich glaube nämlich, dass diese Frage lebenswichtig ist, für jeden Menschen, aber auch für unsere Gesellschaft! Lebenswichtig – völlig unabhängig davon, wie man zur Kirche steht. Auch unabhängig davon, dass Kirche durch Missbrauchsfälle und andere Unsäglichkeiten viel Glaubwürdigkeit verspielt hat.
Nächstenliebe oder Egotrip
Was haltet ihr von Ostern, Leute? Das fragt primär danach, ob man an Auferstehung glauben kann. Es geht an Ostern aber auch um das Lebensmodell dieses Jesus von Nazaret: Hier entscheidet sich, ob Liebe in letzter Konsequenz tödlich ist oder himmlisch. An Ostern geht es darum, ob Liebe zu anderen Menschen überhaupt Sinn macht oder ob man sich nicht doch besser zuerst um sich selbst kümmern sollte.
Ist ja auch gar nicht so leicht zu unterscheiden: Liebe oder Selbstvorsorge, die, medial gehypt von Selfiekult bis SchönheitsOp, ehe du es merkst zum puren Egotrip werden kann!
Also ich hole jetzt mal tief Luft… Und versuche das Ganze zu erklären…
Musik 1
Für mich stehen Jesus und sein Christentum für die Lebensweise „Liebe total“:
Du findest dein Glück, indem du zum Glück von anderen beiträgst.
Du findest dein Glück, indem du es anderen schenkst.
Du findest dein Glück, indem du radikal darauf verzichtest, anderen etwas wegzunehmen!
Also natürlich außer Not, Leid und Armut. Alles Schlechte und Traurige von anderen wegzunehmen, es eventuell sogar selbst auf sich zu nehmen, damit die anderen es los sind, das gehört wiederum zum Glücksweg à la Jesus, um den es an Ostern geht.
Ohne jede Berechnung…
Das Ganze übrigens ohne jede Berechnung, wo ich denn dabei bleibe und ob ich selbst dabei auch genügend abkriege. Das ist die oft schwierige Grenzlinie zwischen Liebe und Egotrip. Heute sind „deals“ angesagt. Das Große: Was habe ich davon? „Great deal“, großer Handel, der z.B. mit „make Amerika great“ und „amerika first“ mächtig in Mode gekommen ist! Auch die gängigen Geiz- und Abschottungsparolen der Populisten, mit ihrem „Deutschland den Deutschen“, „Grenzen zu“, „Ausländer raus“ und den Neiddebatten um Bürgergeld und angebliche Sozialschmarotzer! Und was uns sogenannte „Altparteien“ wie die Grünen so alles verbieten und wegnehmen wollen… Das alles hat für mich viel von Selbstumkreisung und Egoismus.
Auch manche Überbetonung einer sogenannten „work-life-balance“ kriegt leicht was von Egotrip…
Gut, meine Babyboomergeneration hat das mit Arbeit und Leistung wahrscheinlich oft übertrieben. Und um jetzt im „Lob des Opfers“ nicht missverstanden zu werden, füge ich schnell hinzu, dass ein gewisser Selbstschutz natürlich auch christlich immer gerechtfertigt bleibt. Die berühmte Nächstenliebeformel betont ja gerade diesen Aspekt: „Liebe deinen Nächsten wie dich selbst!“
An Ostern entscheidet es sich…
Warum für mich bei dieser Frage nach „echt Liebe“ oder Selbstversorgung OSTERN so eine fundamentale Rolle spielt? Weil sich in unserem ganz persönlichen Blick auf Ostern entscheidet, ob ein Leben im „Jesusmodus“ ein Gewinnspiel ist oder eine vorprogrammierte Niederlage. Steht am Ende der Tod oder der Himmel?
Und darum kommt es so sehr darauf an, ob wir persönlich eine „Auferstehung“ Jesu fühlen und glauben können oder nicht. Das ist übrigens keine Frage danach, ob das Grab nun wirklich leer war. Das zeigt schon die Bibel selbst, wenn sie die These der Osterzweifler überliefert, die Leiche Jesu wäre nur heimlich von den Auferstehungsagenten aus dem Grab entfernt worden. Ostern kann auch gar nicht eine allgemeine Überwindung und Eliminierung des Todes bedeuten. Der Tod bleibt ja schließlich auch nach diesem Aufleuchten Jesu ein Faktum in der Welt und in gewisser Weise ein Ende des Lebens. Die Frage nach der Auferstehung ist deshalb diffiziler und erlaubt meiner Meinung nach keine einfache Entweder-oder-Antwort.
Ich deute die Ostergeschichte für mich so: Jesus hat ein Leben geführt, das sich radikal für andere einsetzt und starkmacht. Echt Liebe, ohne jeden Egotrip. Das war für alle Bedürftigen toll, die zu Nutznießern und Empfangenden seiner Liebe wurden. Das war aber provokant für alle, denen Jesus vorhielt, dass sie – z.B. mit ihrer Macht und ihrem Reichtum - weitgehend auf Kosten anderer lebten und dies gefälligst ändern sollten. Diese provozierten Leute schafften sich Jesus vom Leib, indem sie ihn in einem Unrechtsprozess verurteilen und umbringen ließen. Solche Unrechtsprozesse durch provozierte Machthaber sind ja immer wieder an der Tagesordnung, kosten tödlich das Leben oder „nur“ die Freiheit: Ich erinnere an Alexej Nawalny in Russland oder jetzt an Ekrem Imamoglu in der Türkei. Und eben an Jesus in Jerusalem…
Musik 2
Wo die Auferstehung Jesu stattfindet…
Die biblischen Ostererzählungen sind dann sehr zurückhaltend in der Schilderung, wie Auferstehung faktisch abläuft. Mich beeindruckt und beflügelt da ein schlichter Satz, den die Freundinnen Jesu zu hören bekommen. Sie besuchen ihn in der Grabeshöhle und wollen den Leichnam salben. Die Bibel spricht von Engeln, ich nenne es eine himmlische Botschaft im Resonanzraum des Todes, die Stimme Gottes, die im Herzen der Empfangsbereiten widerhallt – damals wie heute: „Sucht den Lebenden nicht bei den Toten!“ Mehr braucht es gar nicht: „Sucht den Lebenden nicht bei den Toten!“
Was dann historisch folgt, das zieht die Bibel erzählerisch in die Länge: von Ostern bis Pfingsten. Es ist aber, wie ich es fühle und wie der Evangelist Johannes es auch beschreibt, ein einziges Ereignis. Es bezeugt mir persönlich so viel mehr, was Auferstehung bedeutet, als dies ein leeres Grab jemals könnte: Die enttäuschten, trauernden und verzagten Freundinnen und Freunde Jesu sind ganz verwandelt, an und in ihnen findet die Auferstehung Jesu statt, weniger an seinem Leichnam: sie sind plötzlich unverzagt, voll Freude, ja Begeisterung. Sie spüren Jesus tief und lebendig in sich, seine Kraft, seinen Geist.
…in die Herzen seiner Liebsten
Ich erlebe Ähnliches oft, wenn ich Trauernde zum Begräbnis ihrer Liebsten begleite. In den Schmerz, dass die eine Art, einander zu erleben und Gemeinschaft zu haben, nun endet, mischt sich die Erfahrung: „Niemand stirbt weiter weg als in die Herzen seiner Liebsten!“ Und sie hören, wie ihre Verstorbenen weiter zu ihnen sprechen, spüren, wie sie sie stärken und ganz lebendig sind.
Das ist weder theoretisch noch allgemein zu begreifen, nur zu empfinden…
Und ich sehe sehr berührt, wie in Julija Nawalnaja die Kraft ihres Alexej aufersteht. Und ich staune, wie die Freunde von Ekrem Imamoglu sich als türkische Opposition weniger einschüchtern lassen.
Und da ist jemand anderes irgendwo, der aus den Teufelskreisen der Egotrips aussteigt; jemand, der auf einen „great deal“ verzichtet und ohne Rücksicht auf Verluste zu lieben wagt.
Ostern heißt, ja sagen zur Liebe, auch wenn sie mich viel kostet, manchmal sogar das Leben.
Darum an alle in der Radiowelt von hr1, die sich von dieser Frage berühren lassen, mit der beherzten Einladung, sie für sich selbst zu beantworten:
Was haltet ihr von Ostern, Leute!?
Musik 3