Begeistert, beflügelt, inspiriert. Das Wirken des Heiligen Geistes in der Musik
Es ist ein sonniger Morgen im Mai des Jahres 1724.[1] Zufrieden blickt der Mann mit einer gepuderten Perücke auf das Manuskript vor ihm auf dem Tisch. Nach einem kurzen Moment des Innehaltens beugt er sich über das Papier, taucht die Feder in das Tintenfass und kritzelt die Buchstaben S Punkt D Punkt G Punkt an den Schluss.
„Soli Deo Gloria“ – Allein Gott gehört die Ehre
Es ist Johann Sebastian Bach, der Kantor der evangelischen Kirchengemeinde in Leipzig. Gerade hat er die Komposition seiner Kantate abgeschlossen, die zum Pfingstfest erklingen soll. Die Buchstaben S.D.G., mit denen er liebevoll das Werk unterschreibt, sind ja nicht die Abkürzung seines Namens. Sie bedeuten vielmehr „Soli Deo Gloria“ – Allein Gott gehört die Ehre.
Bach bringt seine Musik in einen Zusammenhang mit dem Schöpfergeist Gottes
Bach setzte diese Buchstaben fast immer unter seine Werke, und zwar nicht nur bei den geistlichen Kompositionen. Auch eine Fuge oder ein Violinkonzert spiritualisiert er auf diese Weise. Das heißt: Er bringt auch die Musik, die nicht für den Gottesdienst geschrieben wurde, in einen Zusammenhang mit dem Schöpfergeist Gottes.
Anton Bruckner widmete seine 9. Sinfonie „dem lieben Gott“
Und Bach war nicht der Einzige, der so dachte. Andere wie Georg Friedrich Händel taten es ihm gleich. Anton Bruckner ging sogar noch einen Schritt weiter: Ihm genügte es nicht, auf den Heiligen Geist als Inspirationsquelle hinzuweisen. Er widmete sogar seine 9. Sinfonie „dem lieben Gott“; und signierte das Werk mit Buchstaben. Um sich aber von Bach abzuheben, wählt er die Buchstaben a.m.d.g – das ist die Abkürzung für „ad majorem Dei gloriam“ – zur höchsten Ehre Gottes. Und so klingt es dann in der Pfingstkantate von Bach:
Musik: Johann Sebastian Bach, Choral „Komm Heiliger Geist Herre Gott“, Kantate zum Pfingstfest, BWV 59, 3. (English Baroque Soloists unter John Eliot Gardiner)
Manche Komponisten stellen Ihre Musik in einen religiösen Zusammenhang
Signaturen wie Soli Deo Gloria sind ein Zeichen dafür, dass Komponisten ihre Kunst in einen religiösen Zusammenhang stellen. Ich denke: Sie wollten ihre Werke mit diesem Bekenntnis nicht nur aus Tradition adeln. Es war auch keine Geste der persönlichen Bescheidenheit oder ausschließlich Ausdruck einer besonderen Frömmigkeit.
Fromme, aber sehr unterschiedliche Menschen
Bach, Händel und Bruckner waren ohne Zweifel fromme Menschen, wenn auch sehr unterschiedliche. Bach war überzeugter Lutheraner und komponierte Kantaten, die für die evangelische Kirchenmusik maßgebend wurden; Händel lebte mit der anglikanischen Kirche und wurde vor allem durch seine Opern berühmt. Anton Bruckner war überzeugter Katholik, wenn auch mit einem gebrochenen Verhältnis zu seiner Kirche. Am liebsten zog er sich zurück, um allein zu sein, mit seiner lieben Orgel und dem lieben Gott.
Ein Hinweis auf die Quelle der Musik
Sie alle waren in ihrer Verschiedenheit sehr fromm. Aber bei ihren Widmungen ging es doch noch um etwas anderes: Der Hinweis „allein Gott gebührt die Ehre“ ist jedenfalls nicht als Kniefall vor der kirchlichen Obrigkeit zu deuten, es ist vielmehr ein Hinweis auf die Quelle der Musik. Er soll erklären, wo das herkommt, was wir an den Kunstwerken so bestaunen.
Eine geheimnisvolle Wirkung geht von aller Kunst aus
Es geht um diese geheimnisvolle Wirkung, die von aller Kunst ausgeht. Musik spricht die Herzen an. Beim Klang der Töne beginnt die Seele mitzuschwingen. Sie rührt Saiten in uns an, die das ausdrücken, was Worte nicht mitteilen können. Dieses Vermögen zu ergreifen, wo die Sprache in ihren Erklärungsversuchen versagt, war stets ein Geheimnis, das Künstler beschäftigt hat.
Musik regt die Gedanken an, ohne Worte zu benutzen
Wie ist es möglich, dass Musik meine Gedanken anregt, ohne ein Wort zu benutzen? Wo kommt diese Kraft her, und wie gelangt sie zu den Künstlern? Goethe hat einmal über seine Gedichte gesagt: „Ich machte sie nicht, sondern sie machten mich“.[2]
Talent und handwerkliches Geschick allein genügen nicht
Was Goethe da erklärt, beschreibt recht genau die Anschauung, die auch Bach, Händel und Bruckner zu ihren Widmungen brachte. Sie soll weder die mühevolle Arbeit herunterspielen noch die handwerklichen Kenntnisse missachten. Sie macht aber deutlich: Es gibt eine Eingebung von außen, einen geistigen Impuls, der über mein beschränktes irdisches Dasein hinausreicht. Talent und handwerkliches Geschick allein genügen nicht.
Inspiration: Ein Impuls, der aus einer anderen Sphäre kommt
Genau das wird als Inspiration bezeichnet: Ein Impuls, der aus einer anderen Sphäre kommt. Wer für den Begriff Inspiration nach einer Erklärung sucht, findet den Hinweis, es handelt sich dabei um eine Eingebung, einen unerwarteten Einfall oder einen Ausgangspunkt künstlerischer Kreativität. Das ist zwar richtig, erklärt aber immer noch nicht, wie dieser kreative Einfall zustande kommt. Und es erklärt nicht, warum dieser geistige Impuls sogar auf andere übergreift. Also, dass ich beim Hören der Musik diese Eingebung verstehe und aufgreifen kann.
Die direkte Übersetzung ist hilfreicher. Denn das lateinische Wort Inspiration bedeutet „Eingebung des Geistes“. Ganz genau sogar „in spiritus sanctus“, also eingegeben durch den Heiligen Geist. Denn darin bestand für die Komponisten kein Zweifel: Diese Eingebung, die zu so großartigen Kunstwerken führt, geht allein von Gott aus.
Der göttliche Geist verbindet den Schöpfer und den Künstler
Der Heilige Geist ist Gott. Genauer eine Dimension in der Dreifaltigkeit Gottes. Der göttliche Geist verbindet den Schöpfer und den Künstler. Wer jemals von einem Bild, von einem Gedicht oder Roman, von einer Kantate oder Sinfonie so richtig ergriffen war, spürt diese Verbindung. Deshalb sprechen wir von der „Begeisterung“, ich bin be-geistert, so als habe der Geist Gottes in mir einen besonderen Raum aufgeschlossen. Begeistern kann mich auch das Largo aus Bachs Violinsonate:
Johann Sebastian Bach, Violinsonate c-Moll BWV 1017, I. Siciliano Largo, (Janine Jansen, Jan Jansen)
Pfingsten: Das Fest der Begeisterung
Wenn von Begeisterung die Rede ist, von Gottes Geist, liegt Pfingsten nicht fern. In dem Fest des Heiligen Geistes ist alle Inspiration zuhause, und die Musik hat ihren großen Feiertag. Im Neuen Testament, in der Apostelgeschichte, erfahren wir, was damals den Anlass zum Pfingstfest gegeben hat, es war genau 50 Tage nach der Auferstehung Jesu:
„Auch an diesem Tag waren sie alle wieder am selben Ort versammelt. Plötzlich setzte vom Himmel her ein Rauschen ein wie von einem gewaltigen Sturm; das ganze Haus, in dem sie sich befanden, war von diesem Brausen erfüllt. Gleichzeitig sahen sie so etwas wie Flammenzungen, die sich verteilten und sich auf jeden Einzelnen von ihnen niederließen. Alle wurden mit dem Heiligen Geist erfüllt, und sie begannen, in fremden Sprachen zu reden; jeder sprach so, wie der Geist es ihmeingab. […] Und wir alle hören sie in unseren eigenen Sprachen von den wunderbaren Dingen reden, die Gott getan hat!« Alle waren außer sich vor Staunen. »Was hat das zu bedeuten?«, fragte einer den anderen, aber keiner hatte eine Erklärung dafür. Es gab allerdings auch einige, die sich darüber lustig machten. »Die haben zu viel süßen Wein getrunken!«, spotteten sie. (Apostelgeschichte 2,1-13, Neue Genfer Übersetzung)
Das Pfingstfest ist nicht leicht zu verstehen
Das Pfingstfest macht es uns nicht leicht. Im Unterschied zu Weihnachten und Ostern ist der Anlass sehr abstrakt. Der Heilige Geist lässt sich nicht so einfach erklären oder anschauen. Deshalb gibt es kaum volkstümliche Traditionen zu Pfingsten.
Etwas einfacher zu fassen wird Pfingsten für mich, wenn ich den Bericht über das erste Pfingstfest so lese, als ginge es dabei um Musik: Zunächst hörten die Menschen ein Brausen. Ein überwältigendes Klangerlebnis. Dann kam das Verstehen über die Sprachgrenzen hinaus. Und schließlich der einem Rausch ähnliche Zustand, den sich die Beobachter nicht erklären können und deshalb Weingenuss vermuten.
Musik überschreitet dort Grenzen, wo Sprachen eher trennen
Alles das macht die Faszination der Musik aus. Sie schenkt Menschen etwas Dreifaches: Sie lässt sich sinnlich erleben durch den Klang. Sie wirkt unmittelbar auf das Gemüt. Und schließlich überschreitet Musik dort Grenzen, wo Sprachen eher trennen.
Wenn ich die Pfingstgeschichte so lese, fällt es mir leichter zu verstehen, was mit dem Heiligen Geist ausgedrückt werden soll. Und darum geht es mir hier.
Durch Musik, den Heiligen Geist besser verstehen
Die Musik ermöglicht es, etwas vom Heiligen Geist zu verstehen und zu erleben. Wenn der Heilige Geist für alle Inspiration zuständig ist, dann ist Pfingsten auch das Fest der Künste. Aber dann geht es bei der Inspiration um mehr als nur um die Eingebung, die dem Künstler die Ideen liefert. Viel wichtiger ist, wie sie auf Menschen wirkt, die zuhören. Auch sie werden inspiriert. Oder wie es in dem biblischen Text heißt: Sie alle waren außer sich vor Staunen!“ Ein Staunen, wie ich es empfinde, wenn ich das Adagio von Bruckners 9. Symphonie höre:
Musik: Anton Bruckner, 9. Sinfonie, d-Moll, III. Adagio (Berliner Philharmoniker unter Simon Rattle)
"Der Geist Gottes kam über sie"
In der Pfingstgeschichte heißt es über die Jünger, „der Geist Gottes kam über sie“. Aber wie funktioniert das? Damals bei den Frauen und Männern beim ersten Pfingstfest. Und wie funktioniert es bei den Künstlerinnen und Künstlern, die Inspiration empfangen. Also: Wie kommt der Geist zu Papier und auf das Notenblatt? Und wie springt der Funke sogar auf andere Menschen über? Im Mittelalter wurde das noch wörtlich verstanden, und auf alten Ikonen genauso dargestellt: Da schwebt über den Menschen eine Taube, die den heiligen Geist verkörpert. Sie haucht den Menschen die Botschaft direkt ins Ohr.
Die Analyse von Akkorden und Harmonien erklärt nicht, warum Musik Menschenin berührt
Heute wirken solche Darstellungen etwas naiv, aber sie führen das Geheimnis vor Augen. Denn eines ist klar: Ich kann wohl Schall und Schwingungen berechnen, aber das begründet niemals, warum ich von einer Melodie ergriffen werde. Die Analyse von Akkorden und Harmonien erklärt weder, wo das alles herkommt, noch wie die Klänge mich erreichen. Warum sie mich in eine andere Welt entführen, und Gedanken auslösen, die weit über mein eigenes Leben hinausreichen.
Das Pfingsterlebnis der Jünger ging über die Grenzen ihres Verstandes hinaus
Warum Musik so unmittelbar auf die Seele wirkt, bleibt ein Geheimnis. Aber gerade dadurch ist die Musik mit dem Glauben verbunden: Alles Sehnen, Hoffen, Glauben und Lieben bekommt plötzlich eine Gestalt, sinnlich wahrnehmbar, körperlich spürbar, wenn auch nicht zu erklären. So etwas erfuhren auch die Jünger bei ihrem ersten Pfingsterlebnis. Sie merkten: Das geht über die Grenzen des Verstandes hinaus. Deshalb nannten sie die Quelle für dieses Erlebnis den Heiligen Geist. Spürbar wie in dem schon angespielten Adagio der Symphonie von Bruckner:
Musik: Anton Bruckner, 9. Sinfonie, d-Moll, III. Adagio (Berliner Philharmoniker unter Simon Rattle)
Wenn ich die biblische Schilderung des Pfingsterlebnisses so lese, und mir das gewaltige Brausen in der Art vorstelle, wie Anton Bruckner es erklingen lässt, bekommt auch der Heilige Geist für mich Gestalt. Aber stimmt das auch? Ich meine, sind es wirklich die Finger Gottes, die da auf der Klaviatur der Seele spielen?
Klar ist: Die Jünger waren damals zu Pfingsten noch immer irritiert. Sie wussten nicht, wie sie damit umgehen sollten, was sie mit Gottes Geist erlebt haben.
Die Lebenskraft Gottes soll mehr sein als ein Gedanke
Das gilt auch für Menschen heute. Ob die Botschaft des Evangeliums in mir Fuß fasst, ist keine Frage der Vernunft. Die Botschaft der Auferstehung Jesu muss mir einleuchten, sie muss von mir Besitz ergreifen. Wenn ich die Lebenskraft Gottes, nicht selbst mit meinen Sinnen erlebe, bleibt doch alles ein Konstrukt. Gut für den Kopf, aber nicht lebensdienlich. Sie soll mehr sein als ein Gedanke, Mut machen, und Hoffnung schenken. Die Pfingstgeschichte der Bibel erzählt: Inmitten dieser Irritation werden die Jünger von dem Klang überwältigt.
Musik hat auch eine schwarze Seite
Kann man dem trauen? Nicht alle Musik wird vom Heiligen Geist gespeist. Der volkstümliche Ausspruch „böse Menschen haben keine Lieder“ stimmt nicht. Musik hat auch eine schwarze Seite. Wie viele Truppen sind schon mit einem Lied in den Krieg gezogen oder zu Kreuzzügen aufgebrochen. Selbst die Aufseher in den Konzentrationslagern ließen sich Musik vorspielen. Musik kann auch sehr banal sein, dem Kommerz dienen und für Werbewecke missbraucht werden. Woher weiß ich dann, ob der Geist, von dem sie ausgeht, wirklich der Heilige ist?
Woran erkenne ich, welche Musik der der Heilige Geist inspiriert hat?
Es gibt einen Wegweiser: Wirkt die Musik versöhnend, kann sie sogar trösten? Kann sie Geborgenheit vermitteln, Hoffnung wecken? Führt sie mich heraus aus dem Leid? Eröffnet sie eine neue Lebensdimension? Das sind die Orientierungen, die für den göttlichen Geist sprechen. Gottes Geist schafft, was dem Leben dient, den Menschen Trost bietet und sie versöhnt, mit den anderen und mit sich selbst.
Die wunderbaren Klänge reißen die Jünger aus ihrer Verzweiflung
Genau so erging es den Jüngern zu Pfingsten. Die wunderbaren Klänge reißen sie aus ihrer verzweifelten Isolation, sie fühlen sich ergriffen und eingebettet in eine Sphäre voller Geborgenheit. Durch die Vielzahl der Klangsprachen werden sie zusammengeführt und fühlen sich nicht mehr allein gelassen. Und als sie sich verwundert ansehen, stellen sie fest: Das alles kann nur vom Heiligen Geist ausgehen. Und von inspirierter Musik. Einen Hauch dieser Inspiration spüre ich auch in dem Lied ohne Worte von Felix Mendelssohn-Bartholdy:
Musik: Felix Mendelssohn- Barthildy, Lied ohne Worte op. 38,2, (Daniel Barenboim)
Die große Vernunft der Seele
Heiliger Geist. Gottes Geist. Diese Worte sind Versuche, dem Woher der Inspiration einen Namen zu geben. Ich bin froh darüber, denn: Es gibt doch so vieles, was mir ganz wichtig ist, was ich aber mit meinem begrenzten Verstand gar nicht fassen kann und erst recht nicht in Worte zu kleiden vermag. Der Philosoph Friedrich Nietzsche hat einmal unterschieden: Auf der einen Seite den kleinen Verstand des Denkens, auf der anderen die große Vernunft der Seele. Um diese große Vernunft der Seele geht es bei dem Heiligen Geist und ebenso in der Musik.
Nach Franz Liszt hat Musik die Aufgabe, den Menschen zu trösten
Franz Liszt, der Klaviervirtuose und Komponist, nennt das die tröstende Wirkung der Musik. Er meint, die Musik hat vor allem die Aufgabe, den Menschen zu trösten. Deutlicher kann man die Wirkung des göttlichen Geistes kaum machen: Trösten und versöhnen. Wenn ich auf die Welt schaue, wie sie nun einmal ist, voller Leid und Hoffnungslosigkeit, erscheint das heute so wichtig wie zu Zeiten von Bach, Händel oder Bruckner. In der durch Kriege und Übergriffe gezeichneten Welt bietet die Musik eine Art Rettungsanker. Sie ist dann der Versuch des göttlichen Geistes, mit dieser Wirklichkeit zu versöhnen.
"Es lohnt sich zu leben, und wei es nur, um einmal die Zauberflöte von Mozart gehört zu haben"
Die Welt kann doch nicht so schlecht sein, wenn sie Werke wie die Sinfonien Robert Schumanns und die Opern Verdis hervorgebracht hat. Wenn ich ein Klavierkonzert von Rachmaninoff höre oder mich mit den Klängen von Debussy umhülle, erahne ich etwas von dem innersten Wesen der Welt. Ich empfinde, was Gott mit dieser Welt gemeint haben könnte. Und ich fühle mich auf geheimnisvolle Weise versöhnt, trotz aller Sorgen. So verstehe ich den göttlichen Geist, er gibt mir zu verstehen: Ja, es lohnt sich zu leben, und sei es nur, um einmal die Zauberflöte von Mozart gehört zu haben.
Ich komme noch einmal zurück zu Johann Sebastian Bach. Wieder einmal sitzt er in seiner Arbeitskammer und brütet über Noten. Es ist das Jahr 1729, eine wirklich schwere Zeit für Bach. Fünf seiner Kinder waren in den zurückliegenden Jahren gestorben, bei einem Sohn wurde eine geistige Behinderung diagnostiziert. Seine Schwester hat er gerade zu Grabe getragen, und der Lohn als Kantor ist knapp, er sorgt sich, wie er seine Familie durchbringen soll.
Da fällt das Komponieren nicht leicht. Diesmal ist es die Kantate für den Gottesdienst am Pfingstmontag, die er in nur wenigen Tagen fertig haben muss. Kaum zu schaffen, aber dann hat er die Eingebung: Er nimmt kurzerhand den Anfangs-Satz von seinem ersten Brandenburgischen Konzert und stellt ihn an den Anfang der Pfingstkantate. Das geht, weil diese Töne trösten können, weil sie versöhnen, mit Gott und mit der Welt. Weil sie dem Leid trotzen. Denn auch für sie gilt: Soli deo Gloria - allein Gott zu ehren.
Musik: J. S. Bach: Ich liebe den Höchsten von ganzem Gemüte, Kantate zum Pfingstmontag BWV 174, I. Sinfonia (Amsterdam Baroque Orchestra & Choir, Tom Koopman)
[1] Der Sommer 1724 gehörte zu den heißesten des Jahrhunderts. Man sprach von einem Der Wingter war besinders milde gewesen und so wurde der Mai überdurchschnittlich warm und sonnig. Vgl. www.habach.de/Klima und www.zwickau-wetter.de
[2] J. W. v. Goethe, Campagne in Frankreich, 1792