
Einander verstehen – Wie Gottes Geist Verständnis bewirkt
Es woar Pingste. Un all woarn se zusomme in däm Zimmer, wo se scho beim letzte Abendmohl woarn. Un off e moal koom vom Himmel ärrob en murts Wend, so ball wie en Storm, der durchs ganz Haus muorts geblose hot.
Nein, Sie haben nicht den falschen Sender eingestellt. Heute ist Pfingsten und ich habe Ihnen den Anfang des zweiten Kapitels der Apostelgeschichte vorgelesen. Der Schreiber, der Evangelist Lukas, berichtet darin vom ersten Pfingstfest, vermutlich im Jahr 30 nach Christus. Sie haben mich trotzdem nicht richtig verstanden? Oder mein Vogelsberger Dialekt, den ich zu Hause in meiner Familie spreche, ist Ihnen sicher fremd. Wenn ich in meiner alten Heimat bin, muss ich gar nicht nachdenken oder innerlich einen Schalter umlegen. Ich spreche dann einfach im Dialekt, den ich seit Kindertagen kenne. Ein Gefühl von Heimat und Vertrautheit verbindet sich damit. Leider gibt es immer weniger Menschen, die Dialekte sprechen. So gibt es selbst zu Hause manchmal Verständnisprobleme. Die Kinder in meiner Familie verstehen mich zwar, antworten aber auf Hochdeutsch. Es wird nur immer dann etwas es kurios, wenn ich mit Menschen zusammenstehe, die sozusagen aus zwei verschiedenen Sprachkreisen kommen: aus dem Dorf und aus dem hochdeutschen Sprachumfeld. Der eine wundert sich dann, warum ich Hochdeutsch spreche, und der andere fängt an zu lachen, wenn ich im Dialekt spreche.
Musik: Georg Friedrich Händel - Sonata in F Major, No. 3, 5 Adagio - Jaroslav Svecený Jitka Navrátoöpvá – CD German, austrian and czech violins
Von westfälisch bis niederalemannisch, von nordfriesisch bis südbayerisch sind im deutschen Sprachkreis die unterschiedlichsten Klangfarben zu hören. Dabei unterscheiden sich die Dialekte oft nicht nur in der Aussprache, sondern auch in der Grammatik. Eigentlich ein sprachlicher Schatz, ein Kulturgut, welches man pflegen müsste. In manchen Gegenden, in denen Deutsch gesprochen wird, etwa in Tirol, in der Schweiz oder in Luxemburg, ist der Dialekt aber bis heute so etwas wie die Standardsprache.
Die Vielfalt der Sprachen ist Kulturgut
Ich habe einige Jahre in Innsbruck studiert und konnte die Tiroler dort sehr gut verstehen. Wenn ich aber im hinteren Stubaital einen Gottesdienst gehalten habe und anschließend beim Mesner am Küchentisch eingeladen war, verstand ich in der Regel fast nichts mehr, wenn sich die Stubaier unterhalten haben. Von Tal zu Tal ein anderer Klang, eine andere Aussprache. Auch in meiner Heimat werden schon im Nachbardorf machen Worte völlig anders ausgesprochen. Heute ist uns das gar nicht mehr so bewusst, dass noch weit in das 20. Jahrhundert hinein die meisten Menschen in Deutschland ihre Sprache nur in der Ausformung des Dialektes sprechen konnten. Goethe beispielsweise diktierte am Stehpult seines Arbeitszimmers die meisten seiner Texte. Seine Schreiber, die um ihn herumsaßen, um das von ihm Gesagte zu Papier zu bringen, hatten oft Verständnisprobleme, weil Goethe einen hessischen Dialekt pflegte. So war es an Pfingsten in Jerusalem auch. Viele Pilger sind in der Stadt und verständigten sich wohl mit Händen und Füßen. Dass wir einander verstehen, ist wichtig. Gerade heute, wo die Verständnisprobleme oft auch am mangelnden Verständnis füreinander liegen.
Musik: Gregor Aichinger - Factus est repente - Dresdener Kreuzchor – CD Komm, heiliger Geist
In der Welt gibt es etwa 6500 Sprachen. Aber wie diese Sprachen ausgesprochen werden oder in welcher Mundart jemand spricht, kann sich sehr unterscheiden. Heute differenziert sich die Sprache aber auf andere Weise. Und die wenigsten über 80-Jährigen werden verstehen, wenn ein Jugendlicher sie zum Chillen einlädt. Ein großes Problem tut sich heute auf, wenn die Sprache manipulativ gebraucht wird. Fake News sind ein Riesenthema geworden. Und technisch stehen wir da vor einer Revolution. Mittels künstlicher Intelligenz wird auch die Echtheit einer Sprache zum Problem, weil der Computer mittels KI Stimmen perfekt imitieren kann. Früher gab es Verständnisprobleme aufgrund des Dialekts. Heute haben Verständnisprobleme oft tiefere Ursachen. Und meinen Eindruck teilen heute viele: Unsere Welt und auch unsere Gesellschaft sind voller Spannungen und Risse. Und das liegt nicht nur an unseren kommunikativen Fähigkeiten.
Der Geist Gottes bringt Verständnis füreinander
Wir verstehen einander oft nicht, weil wir kein Verständnis haben für den anderen. Christen feiern heute Pfingsten. Sie feiern heute den Geist Gottes, der in die Welt kommt. Ein Geist, der alles durchdringt und alle Herzen erfassen kann. Und der für ein ganz neues Verstehen sorgt. Dieser Geist wirkt überall da, wo Menschen sich verstehen und Verständnis füreinander haben. Dabei geht es nicht um den Duden und seiner Wörter. Es geht um das Herz, das sich öffnet und versteht. So etwa wie am Ostermorgen bei Maria von Magdala. Jesus nennt sie beim Namen und sie erkennt ihn.
Musik: Georg Friedrich Händel - Sonata in F Major, No. 3, Allegro - Jaroslav Svecený Jitka Navrátoöpvá – CD German, austrian and czech violins
An Pfingsten feiern wir Ostern neu. Lukas, der Verfasser der Pfingstgeschichte, beschreibt den Geist Gottes mit symbolischen Bildern. Er berichtet von einem gewaltigen Sturm. Ein Bild der Kraft und der Bewegung. Die hebräische Bibel nennt den Geist deshalb an rund 400 Stellen Ruach. Ein Wort, das für Energie, Kraft, Lebensatem oder auch für Wind steht. Feuerzungen erscheinen, Symbole für Licht und Wärme. Aber das entscheidende Zeichen, dass sich an Pfingsten ereignet, ist ein anderes. Hören wir in den Bericht der Apostelgeschichte. Da heißt es: „Alle wurden vom Heiligen Geist erfüllt und begannen, in anderen Sprachen zu reden, wie es der Geist ihnen eingab. Die Menge strömte zusammen und war ganz bestürzt; denn jeder hörten den andern in seiner Sprache reden. Sie waren fassungslos vor Staunen und sagten: Seht! Sind das nicht alles Galiläer, die hier reden? Wieso kann sich jeder von uns in seiner Muttersprache hören?“ Viele Sprachen, Dialekte und Klänge der vielen Pilger in Jerusalem durchzogen die Gassen rund um den Tempel. Die Leute werden aufmerksam auf die mutig auftretenden Jüngerinnen und Jünger. Und Petrus beginnt seine Predigt, die plötzlich von allen verstanden wird. Pfingsten feiern wir den Geist Gottes, der Menschen verbindet. Wir feiern Gottes Ruach, welche Menschen einander verstehen lässt und für gegenseitiges Verständnis sorgt.
Musik: Johannes Eccard - Der Heilig Geist vom Himmel kam - Dresdener Kreuzchor – CD Komm, heiliger Geist
Was eine App kann, kann Gott schon lange – nur besser und tiefgreifender
Sicher: Heute gibt es für die Sprachübersetzung sehr gute Apps auf dem Handy. Wenn Sie Ihr Smartphone mit dem richtigen weiblichen Vornamen ansprechen und fragen, wird es Ihnen blitzschnell eine Übersetzung erstellen und sogar laut ins Ohr sagen. Aber Gottes Geist ist mehr, er ist etwas völlig anderes als eine Übersetzer-App. Es geht hier nicht um einen technischen Vorgang einer geistgewirkten Simultanübersetzung. Es geht um ein Verstehen, das dieser Geist Gottes im Inneren eines jeden Menschenherzens bewirken kann und will. Mir kommt der Podcast in den Sinn, den ich vor einigen Tagen gehört habe. Darin wird Bernd Siggelkow interviewt. Der evangelische Pastor hat vor rund 30 Jahren das Kinderhilfswerk „Die Arche“ in Berlin-Hellersdorf gegründet. Für mich ein Beispiel dafür, was Gottes Geist bewirken kann. Siggelkow ist ohne seine Mutter in Hamburg-St. Pauli aufgewachsen. Als 16-Jähriger kam er durch die Heilsarmee zum christlichen Glauben. Er studierte Theologie, wurde Pastor und kam 1990 nach Berlin-Hellersdorf. Dort war er immer wieder mit der sozialen Not vieler Kinder konfrontiert. Er gründete die Arche als christliches Kinderhilfswerk, das es inzwischen in vielen deutschen Städten gibt. Er spricht in diesem Podcast von Kindern, die kein Verständnis finden, die oft keinen kontinuierlichen Partner in ihrem Leben haben und sich deshalb aufgeben. Er erzählt von einer Mutter, die in einem öffentlichen Verkehrsmittel kontrolliert worden ist. Sie muss wie jeder das Ticket zeigen. Es war aber ein Sozialticket. Der Kontrolleur fragt sie daraufhin nach ihrem Ausweis. „Und jetzt bitte ihren Bürgergeldbescheid“, schob er hinterher. Die Frau war völlig aufgelöst, dass sie jetzt einem wildfremden Menschen ihre Bedürftigkeit nachweisen musste. Und sie sagt weiter: „Ich muss immer meine Bedürftigkeit nachweisen, bevor jemand mit mir spricht, egal wo ich bin. Und das macht aus mir etwas.“ Eine Frau, die nach Würde und Verständnis hungert. Ich denke an die langjährige Caritas-Mitarbeiterin unserer Gemeinde, die Menschen mit und ohne Migrationshintergrund durch den Bürokratiedschungel unserer Gesellschaft hilft. Menschen haben Anspruch auf Leistungen. Aber die Formulare zur Beantragung verstehen sie nicht. Diese sind über die Jahre so kompliziert geworden, dass selbst Fachleute viel Zeit brauchen, um sie auszufüllen.
Pfingsten erzählt von einem Gott, der die Herzen von Menschen berührt. Und Menschen, die diesen Geist im Herzen tragen, die von ihm erfasst sind, sie schaffen Verständnis und verstehen einander. 2300 Milliarden $ wurden im letzten Jahr Welt für Waffen ausgegeben, so viel wie seit langem nicht. Pfingsten erzählt auch von einer Sehnsucht. Ja, es ist Gottes Sehnsucht. Die Hoffnung, dass Menschen einander verstehen. Die Hoffnung auf die Erfahrung von Angenommensein und Würde. Pfingsten feiert die Hoffnung auf Frieden. Pfingsten steht für den guten Geist Gottes, der auch heute Herzen bewegt und Verständnis bewirkt.
Musik: Albert Becker - Komm, heiliger Geist - Dresdener Kreuzchor – CD Komm, heiliger Geist
Musikauswahl: Regionalkantor Christopher Löbens, Hünfeld