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Die Frist läuft ab
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Die Frist läuft ab

Eva Reuter
Ein Beitrag von Eva Reuter, Katholische Pastoralreferentin, Betriebsseelsorge im Bistum Mainz / Regionalstelle Rheinhessen
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Im Büro einer Kollegin hängt der Spruch an der Pinnwand „Wenn es die letzte Minute nicht gäbe, würde hier nie etwas fertig.“. Ich muss immer grinsen, wenn ich diesen Spruch lese. Ich gehöre zwar eigentlich nicht zu den Menschen, die Dinge bis zur letzten Minute aufschieben. Aber bei unangenehmen Aufgaben ist für mich eine Frist doch hilfreich.

Die Steuererklärung zum Beispiel finde ich höchst lästig – übrigens: In zehn Tagen endet die Abgabefrist für 2021. Von anderen Fristen weiß ich nicht genau, wie lange sie sind, aber es gibt sie. Wir haben zum Beispiel nicht unbegrenzt Zeit, Maßnahmen gegen die globale Erwärmung zu treffen.

Ihr habt nicht ewig Zeit

Auch meine Lebenszeit ist befristet – ich weiß nur nicht wie lange. Im Bibeltext, der nach katholischer Tradition heute im Gottesdienst gelesen wird, geht es genau darum. Jesus ermahnt seine Zuhörerinnen und Zuhörer mit einem drastischen Beispiel: Ihr habt nicht ewig Zeit, euch zu entscheiden, will Jesus klarmachen (vgl. Lukas 12,54-59). Manche Zeitfenster schließen sich. Und wenn wir nicht handeln, müssen wir die Konsequenzen tragen.

Ehrlich gesagt, mag ich auch ganz offene Zeitfenster nicht. Ich weiß gerne, woran ich bin. Wenn ich scheinbar endlos Zeit habe für eine Entscheidung, dann verzettele ich mich manchmal in komplexen Überlegungen und Abwägungen. Natürlich nehme ich mir Zeit für wichtige oder weitreichende Entscheidungen. Je größer die Frage, desto intensiver der Prozess der Entscheidung.

Der Rat, auf Zeichen zu achten

Aber auch dabei ist für mich ein zeitlicher Rahmen hilfreich. Ich setze mir deshalb oft selbst eine Frist, bis wann ich etwas entschieden haben möchte. In Ausnahmefällen gibt es eine Verlängerung – das ist ja auch bei der Steuererklärung so. Ob es bei der Klimakrise oder bei der persönlichen Lebenszeit eine Verlängerung gibt, weiß ich nicht – ich vermute, eher nicht.

Jesus gibt seinen Zuhörerinnen und Zuhörern den Rat, auf Zeichen zu achten. Er vergleicht es mit der Beobachtung von Wetterereignissen. (vgl. Lukas 12, 54+55). Bei der Klimakrise müssen wir nur auf die vielen verdorrten Bäume und Pflanzen schauen oder auf die kahlen Steine, auf denen vor wenigen Jahren noch Gletscher waren. Bei Entscheidungen im Leben gibt es auch oft äußere Zeichen: Tatsachen, die ich wahrnehme. Aber manchmal kann so ein Zeichen auch eine wachsende innere Unruhe oder Nervosität sein.

Die letzte Minute ist angebrochen

Ich habe gute Erfahrungen damit gemacht, auf solche inneren Zeichen zu hören. Wenn ich solche Unruhe oder auch Gedanken-Karussells oder Träume ernstnehme, ist die Zeit gekommen, etwas zu erledigen. Dann ist sozusagen die letzte Minute angebrochen – und dann wird etwas fertig.

Als gläubiger Mensch bin ich davon überzeugt: Gott begleitet meine Entscheidungsprozesse, und vielleicht schickt er auch ein Zeichen, damit ich ins Handeln komme.

 

 

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