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Maria Magdalena. Loslaufen!
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Maria Magdalena. Loslaufen!

Dr. Annette Wiesheu
Ein Beitrag von Dr. Annette Wiesheu, Theologische Referentin des Bischofs von Mainz
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Jedes Jahr an Ostern höre ich die Erzählung von Maria Magdalena und ihrer Begegnung mit dem auferstandenen Jesus. Und jedes Jahr berührt sie mich aufs Neue.

„Halte mich nicht fest“

Das Johannesevangelium erzählt diese Begegnung so: Maria Magdalena, eine Jüngerin Jesu, geht zu seinem Grab und sucht den verschwundenen Leichnam. Sie weint. Da tritt der auferstandene Jesus hinzu und spricht sie an. Sie erkennt ihn nicht, sondern hält ihn für den Gärtner. Erst als er ihren Namen nennt, gehen ihr die Augen auf. Jetzt spricht auch sie ihn an. Und dann ist die Begegnung auch schon fast wieder vorbei. „Halte mich nicht fest“, sagt Jesus zu Maria Magdalena. Und weiter: „Geh aber zu meinen Brüdern und sag ihnen: Ich gehe hinauf zu meinem Vater und eurem Vater, zu meinem Gott und eurem Gott.“ Dann geht Maria zu den Jüngern und verkündet ihnen: „Ich habe den Herrn gesehen.“ (Johannesevangelium 20,11-18)

Ihr vertraut er seine Botschaft an

Maria Magdalena und ihre Begegnung mit Jesus berühren mich – auch weil sie in der Vergangenheit so missverstanden wurden. Einer Frau gibt sich der Auferstandene als erstes zu erkennen. Ihr vertraut er seine Botschaft an. Das konnten sich Generationen von Bibelauslegern nicht vorstellen. Es passte einfach nicht in das Frauenbild einer Gesellschaft, die von der Überlegenheit der Männer überzeugt war.

Und entsprechend haben sich die Ausleger der Bibel die Erzählung zurechtgebogen. Zum Beispiel: „Halte mich nicht fest“ – diese Worte Jesu seien eine Zurechtweisung. Der Auferstandene lasse sich nicht berühren oder festhalten; nur im Glauben sei er zu begreifen. Das hätte Maria nicht verstanden. Und genau deshalb schicke Jesus sie zu den Brüdern – zu den Tüchtigeren, den Männern: Die sollten die wahre Verkündigung des Glaubens übernehmen.

Vielleicht lieber bei Jesus geblieben

Eine solche Auslegung aber verkennt Maria Magdalenas Rolle; ihre Beauftragung wird kleingeredet, ja, sie nimmt Maria Magdalena ihre Begegnung mit Jesus und ihre Sendung zu den Jüngern sogar weg.

Ich frage mich auch: Wie war diese Begegnung mit Jesus wohl für Maria Magdalena? Wie hat sie diesen Auftrag Jesu aufgenommen? Der biblische Text verrät darüber nichts. Ich stelle mir vor: Vielleicht wäre sie viel lieber bei Jesus geblieben. Und hätte die unglaubliche Freude ausgekostet über das unerwartete Wiedersehen mit ihm; darüber, dass ihr Kummer zu Ende ist und sie nicht mehr weinen muss, denn: Jesus lebt. Vielleicht wollte sie einfach die Nähe von Jesus genießen, die Gemeinschaft mit ihm – anstatt loszulaufen und sich gleich mit den anderen Jüngern auseinanderzusetzen.

„Freu dich, Jesus lebt!"

Mir wäre es so gegangen, glaube ich. Und ein wenig geht es mir so nach jedem Osterfest. Ich will die Osterfreude genießen, mich an dem Trost und der Hoffnung dieses Festes wärmen. Aber was wäre die Konsequenz? Vielleicht ist das eine Versuchung: den Glauben einfach für sich leben wollen, für das gute Gefühl, das er geben kann, als Lebenshilfe und Wohlfühlelement.

Maria Magdalena erlebt etwas anderes: Sie begegnet dem auferstandenen Jesus. Er fordert sie auf, gerade nicht nur bei ihm stehen zu bleiben – sondern die gute Nachricht zu verkünden. Jesus lebt! Ostern ist nicht nur für mein gutes Gefühl. Es ist mit dem Auftrag verbunden: „Freu dich, Jesus lebt! Und trag diese Botschaft Jesu in die Welt!“ 

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