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Die Liebe feiern
Bild: peggy_marco_pixabay

Die Liebe feiern

Stephanie Rieth
Ein Beitrag von Stephanie Rieth, Bevollmächtigte des Generalvikars und Dezernentin im Bistum Mainz
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So wie im September die ersten Lebkuchen in den Läden zu finden sind, so taucht kurz nach Weihnachten, spätestens aber im neuen Jahr, der Valentinstag in den Werbeprospekten auf. Rote Rosen, Sekt, Kuchen oder sogar Sushi in Herzform und kleine Geschenke sind im Angebot. Mein Mann und ich haben dem in den jetzt zwanzig Jahren unserer Ehe ehrlich gesagt, wenig Beachtung geschenkt. Dieser Tag war für uns nie ein besonderes oder wichtiges Datum. Wir haben unseren Hochzeitstag, der reicht uns, um unsere Liebe zu feiern. Und wir haben unseren Alltag, mit all den Herausforderungen, in dem unsere Liebe einen Platz haben soll, einen Platz, den man allzu oft verteidigen muss. Trotzdem ist mir dieser Valentinstag auch sympathisch: als Tag, an dem die Liebe gefeiert wird – und als Gedenktag des Heiligen der Liebe, der morgen am 14. Februar ist.

Bereits im alten Rom schenkte man Rosen am 14. Februar

Genaugenommen weiß man über diesen italienischen Bischof aus dem 3. Jahrhundert nicht viel. Zum Heiligen der Liebe oder auch der Zärtlichkeit wurde er eher auf Umwegen. Diese führten sogar über heidnische Bräuche, denn im alten Rom war der 14. Februar der Gedenktag der Göttin Juno, der Schutzgöttin für Ehe und Familie - und schon damals wurden die Frauen an diesem Tag mit Rosen beschenkt.

Menschen, die sich lieben und das am 14. Februar feiern wollen

Natürlich gönne ich der Blumenindustrie den Valentinstag, und ich gönne ihn auch den Menschen, die ihn für sich entdeckt haben, um die Liebe zu feiern: Eheleute, heterosexuelle und homosexuelle Paare, Paare, die es einmal werden wollen oder auch Paare, die sich entschieden haben, nicht zu heiraten. Menschen eben, die einander in Liebe zugetan sind und dies feiern wollen.

Auch die Kirchen bieten zum Valentinstag Segensfeiern an

Auch die Kirchen knüpfen gerne daran an und bieten rund um den Valentinstag Segensfeiern an – Gottesdienste, in denen die Liebe vor Gott gefeiert und gesegnet werden kann. Und ich bin froh, dass bei den meisten dieser Feiern schon seit Jahren der Segen nicht auf eine sexuelle Orientierung begrenzt wird – es geht um das, was Liebe wirklich ist: Haltung, Zuwendung und Zueinanderstehen. Das zu segnen, ist ein Auftrag der Kirche, denn es bedeutet, den Menschen zuzusprechen: Gott sagt ja zu euch, er ist mit euch und begleitet und stärkt euch auf dem gemeinsamen Weg, auch in den schwierigen Zeiten. Davon bin ich zutiefst überzeugt.

Zur Liebe gehört die Sexualität und noch so viel mehr

Gott sagt Ja zu mir und meiner Liebe. Und für mich gehört da auch die Dimension der Sexualität dazu, wenn ich an Liebe denke. Sie ist eine wunderbare Kraft, in einem geschützten Raum einander nahe zu sein. Ich möchte diese Erfahrung in meinem Leben nicht missen, und zwar nicht nur, weil sie unsere drei wundervollen Kinder hervorgebracht hat. Für mich ist Liebe zugleich so viel mehr als Sexualität und beinhaltet eben nicht nur das, was ich mit meinem Mann teile.

Liebe ist alles, Liebe ist mehr

Liebe ist alles, Liebe ist mehr – so besingt Reinhard Mey die Liebe. Immer wieder finde ich in seinen Liedern so treffende Worte, die ich selbst nie erfinden könnte. Es heißt in seinem Lied ‚Liebe ist alles‘:

„Es ist ein gutes und ein wahres und ein schönes allumfassendes Gefühl.
Es lässt sich nicht vorhersehn, lässt sich nicht erzwingen und es passt in kein Kalkül.
Es mag für einen Augenblick sein und für immer, es ist frei vom Zwang der Zeit.
Es ist das Teil, es ist das ganze Universum, es ist jede Winzigkeit.
Es ist die immer neue pathetische Filmszene in ew'ger Wiederkehr.
Liebe ist alles, Liebe ist mehr.“

Jeder von uns hat eigene Bilder von Liebe im Kopf

Vielleicht ist das dem einen oder der anderen eben zu pathetisch oder zu allgemeingültig, aber ich kann diese große, weite Sicht auf die Liebe, die Reinhard Mey da entwickelt, total gut nachvollziehen. Ich entdecke die Liebe auch oft in kleinen Dingen des Alltags, wie er sie beschreibt: im Lächeln eines Fremden, im schwarzen Straßenhund, der in der Sonne döst, im Freund oder der Freundin, die sich nachts für mich in die Küche stellen und mir etwas kochen, während ich meine traurige Geschichte erzählen darf, im blankgeliebten Bär, im Geruch auf dem Dachboden eines alten Hauses, in jemandem, der auf einem Bahnsteig auf mich wartet. Es sind so schöne Bilder, die Reinhard Mey mit der Liebe verbindet, und ich glaube, da hat jede und jeder von uns ganz eigene Bilder im Kopf. Zugleich ist die Liebe für ihn aber auch ein Gefühl: Ahnung, Hoffen und Sehnsucht, das Bittre und das Süße, federleicht und tränenschwer.

Eine Debatte im Rahmen der Synodalversammlung hat mich sehr berührt

Über die Liebe nachgedacht habe ich auch am letzten Wochenende. Da habe ich mir am Samstag den Livestream der Synodalversammlung in Frankfurt angesehen. Seit zwei Jahren ist die Katholische Kirche auf diesem besonderen Weg unterwegs. Ein Weg, der in einer ganz neuen Weise den Raum eröffnet für den Diskurs über ganz zentrale Fragen dieser Zeit: Macht und Gewaltenteilung, Frauen in der Kirche, Sexualmoral und priesterliche Lebensform. Und ich muss sagen: Obwohl es da auch manche Eitelkeiten und Profilierungen gab: Gerade die Debatte über den Handlungstext „Lehramtliche Aussagen zu ehelicher Liebe“ am letzten Samstag hat mich sehr berührt.

Wie soll sich die Kirche zur ehelichen Liebe äußern?

Gläubige Katholiken und Katholikinnen, Bischöfe wie Laien, Priester wie Ehrenamtliche, waren im offenen Austausch darüber, wie sich die Katholische Kirche zur ehelichen Liebe äußern sollte und was sie besser lassen sollte. Berührt hat mich daran: Bei aller Kritik an manchen Anmaßungen der Kirche, dazu eine Meinung zu haben, ist da dennoch eine große Sehnsucht, die Kirche möge auch hier eine Orientierung geben, einen Hinweis dazu geben, was aus ihrer Sicht auf die biblische Botschaft und die Tradition wichtig ist.

Liebe auf Geschlechtlichkeit zu beschränken, wird ihr nicht gerecht

Kritisch diskutiert wurde die Haltung zur Sexualität, die nach bisheriger katholischer Deutung hauptsächlich im Dienst der Fortpflanzung gesehen wird. Empfängnisverhütung muss im Zusammenhang von verantworteter Elternschaft neu bewertet werden, da waren sich fast alle einig. Aber der wichtigste Grundgedanke war: Liebe Bischöfe, bitte traut den Eheleuten zu, den Umgang mit Liebe und Sexualität vor dem eigenen Gewissen selbst zu verantworten und haltet euch aus den Schlafzimmern raus. Immer wieder wurde die Genitalisierung der Liebe bemängelt, die Beschränkung der Liebe auf die Geschlechtlichkeit – dabei ist Liebe doch viel mehr.

Werte wie Treue, Respekt, Würde und Selbstbestimmung stärken

Die Menschen in der Frankfurter Synodalversammlung letztes Wochenende haben gezeigt, dass sie nicht einfach mit der bisherigen Tradition der Kirche brechen wollen. Ihnen war wichtig: Wir wollen in dieser Tradition weiterdenken, darauf aufbauen. Und so kommt der Handlungstext über die eheliche Liebe zu dem Ergebnis:

„Die Kirche ist dazu berufen, die Gewissen der Eheleute zu bilden, nicht aber dazu, den Anspruch zu erheben, sie zu ersetzen (AL 37 und Grundtext 9). Sie sollte darum die Werte der Liebe, der Treue, des Respekts vor der Würde und Selbstbestimmung des bzw. der Anderen, der Verantwortung füreinander, der Gestaltung der Fruchtbarkeit und der liebenden Hingabe und der vorbehaltlosen Annahme der eigenen Kinder stark machen und so eine Orientierung anbieten, die zu situationsgerechten, verantwortlichen Entscheidungen führen kann.“

Das klingt fast etwas zu formal für das große Thema Liebe

Das klingt jetzt vielleicht etwas langatmig und formal, aber für mich steckt da tatsächlich viel von dem drin, was auch für mich Liebe bedeutet und was einer so großen Sache wie der Liebe angemessen ist.

Es hat mich zum Nachdenken über die Liebe gebracht

Ich jedenfalls habe in den letzten Tagen viel nachgedacht über die Liebe – wen und was ich liebe. Natürlich zu allererst und vor allem meinen Mann und meine Kinder, die aus dieser Liebe entstanden sind und die mir in meinem Leben und in all den Herausforderungen zeigen, wo ich hingehöre, mir Halt geben.

Auch meine Arbeit ist für mich viel mehr als ein Job

Aber ja, da ist auch meine Arbeit – mit der ich sehr viel Zeit verbringe, die für mich viel mehr als ein Job ist – eine Berufung eben. Ich spüre, dass ich zu einem wesentlichen Teil auch da hingehöre.

Und manchmal bleibt auch die unerfüllte Sehnsucht

Und da sind all die Menschen, denen ich in meinem Alltag begegne, die Kollegen und Kolleginnen, die Menschen, für die ich da sein darf – manchmal genervt, manchmal mit Freude. Menschen, die mich brauchen und Menschen, die ich brauche. Freunde und Freundinnen, die da sind, aber die oft viel zu kurz kommen.

Liebe ist eben nicht immer nur ein gutes Gefühl, sondern oft auch die Erkenntnis: Ich werde ihr nicht gerecht und manchmal bleibt auch die unerfüllte Sehnsucht. Liebe ist alles und immer auch mehr als ich in Worte fassen kann, ja, als ich mir vorstellen kann.

Vielleicht doch morgen die wunderbare Kraft der Liebe feiern?

Morgen ist ein Tag, der der Liebe gewidmet ist. Vielleicht werde ich doch morgen – ganz gegen meine Gewohnheit – die Liebe feiern, oder zumindest daran denken, was für eine wunderbare Kraft sie in meinem Leben ist. Einen schönen Valentinstag!

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