Calvins Sonntagsausflug – Prinzipien sind gut, aber man muss sich nicht sklavisch daran halten
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Calvins Sonntagsausflug – Prinzipien sind gut, aber man muss sich nicht sklavisch daran halten

Regina Westphal
Ein Beitrag von Regina Westphal, Pfarrerin, Frankfurt

„Ich würde Sonntags nicht einmal staubsagen“, erklärte mir eine Freundin, als sie vor kurzem bei uns zu Besuch war.
Es war Sonntagnachmittag. Wir saßen im Garten, die Nachbarn mähten den Rasen und von weiter weg hörte man eine Schleifmaschine. Das ist in der Stadt wohl öfters so, obwohl auch dort die Sonntagsruhe gilt. Meine Freundin sagt: In dem Dorf, in dem sie wohnt, würde der Bäcker niemals sonntags öffnen.
Nein, sonntags einkaufen finde ich auch nicht gut. Allein schon wegen der Menschen, die dann für mich arbeiten müssen. Da habe ich meine Prinzipien. Moralisch werden, wenn andere es anders machen, möchte ich jedoch nicht.
Vielleicht erwarten das einige von mir, als evangelische Pfarrerin: dass ich anderen sage, was sie falsch machen. Denn das steckt in vielen Köpfen. Protestanten sind moralisch und gehen zum Lachen in den Keller.
Dieses Bild ist auch geprägt durch den Reformator Johannes Calvin. Er lebte vor 500 Jahren und wirkte in Frankreich und in der Schweiz. Ursprünglich studierte er Rechtswissenschaften. Er war begeistert von den Thesen Martin Luthers und schloss sich der Reformation an. In Genf setzte er die Reformation nach seinen Vorstellungen um. Als Mensch war er wohl eher unangenehm. Vor allem ging er mit seinen Gegnern hart um.
Er verfasste die Reformierte Kirchenordnung, eine Art Kirchengesetzbuch. Darin ist genau festgelegt, was ein gläubiger Mensch tun darf und was nicht. Einige Vorschriften prägen uns bis heute. Viele seiner Zeitgenossen hielten ihn für einen verbissenen Asketen.
Doch er konnte auch anders. Das habe ich von einem niederländischen Kollegen erfahren, der reformierter Pfarrer ist. Er hat mir erzählt: Ich habe sonntags nie Fußball spielen dürfen. Im reformierten Glauben waren am Sonntag zur Ehre Gottes Spaß und Spiel verboten. So lehrte man damals und in einigen Regionen in den Niederlanden auch heute noch. Eines Tages hörte meine Mutter einen Prediger, der von Calvin, dem Verfasser der reformierten Kirchenordnung, berichtet hat: Sonntags nach dem Gottesdienst ging Calvin auf dem Genfer See segeln, lies sich in der Sonne treiben und genoss dabei ein Glas Rotwein. Von diesem Tag an durfte ich auch sonntags Fußballspielen!
Mir gefällt die Geschichte meines Kollegen. Auch Calvin blieb nicht immer seinen Prinzipien treu. Das macht ihn mir sympathischer. Ich habe meine Prinzipien, aber ich habe die innere Freiheit, sie menschlich zu leben.

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