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Wie kann ich Kraft tanken?
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Wie kann ich Kraft tanken?

Ein Beitrag von Dr. Christine Lungershausen, Evangelische Pfarrerin, Eschborn
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Ich gehe richtig gern wandern. Am liebsten am Wasser entlang. Wenn ich Kraft brauche, gehe ich zum Westerbach. Der durchzieht meinen Wohnort Eschborn im Rhein-Main-Gebiet.  Der Westerbach fließt durch Felder, Straßenläufe, Miniatur-Altstadt, einen Park. Ich schaue auf das nasse Grün, den mäandernden Pfad durch Gestrüpp, über Steine, unter Wurzeln. Je wärmer der Sommer wird, desto mehr spüre ich erfrischende Luftzüge vom Wasser.

Kraft in der Natur tanken

Es rauscht und plätschert. Das tut meinen Ohren gut. Auf eine eigene Art gleichmäßig. Ich folge dem Klang des Wassers. Mich erholt das. Etwas in mir kommt zur Ruhe und entspannt sich. Wenn ich am Bach entlanggehe, fließt mir Kraft zu.

Ich erzähle einer Freundin von diesem Ort, an dem ich auftanken kann. Sie fragt: „Du tankst Kraft? Bist Du ein Öl-Tanker? Oder ein Auto? Hast Du auch ne Tankanzeige, die dir zeigt, wann Du genug getankt hast?“

Seelische Kraft reicht unterschiedlich weit

Zuerst fand ich ihre Fragen merkwürdig. Kraft tanken. Das sagt man doch so. Doch natürlich ist es anders. Kein Mensch kann Kraft auf Knopfdruck finden, wie ein Auto am Zapfhahn mit Sprit. Die Kraft eines Autos, sein Sprit, bringt es halbwegs vorhersehbar mit 5 Litern 100 Kilometer weit. Seelische Kraft reicht unterschiedlich weit, je nachdem.

Nach einem klärenden Gespräch hat sich etwas abgerundet, wenn ich einen Streit beilegen konnte, und wir uns wieder besser verstehen. So was gibt Kraft. Sofort würde ich die nächste Herausforderung angehen.

Alle Kraft kann mit einem Moment weg sein

Aber natürlich kann es auch anders laufen. Ein Gespräch hat gar nichts klären können, vielleicht gibt es hinterher noch mehr Ärger. Solche Erfahrungen tun weh. Die Energie verpufft, noch irgendetwas anzugehen. Alle Kraft ist mit einem Moment weg. Mit der Haltbarkeit der seelischen Energie ist es eben anders als mit der Tankfüllung.

Eine Sprachform für den Zustand zwischen aktiv und passiv

Ob ich Kraft kriege, habe ich nur begrenzt in der Hand. Im Deutschen ist das nicht so leicht auszudrücken. Aber in Griechisch, das musste ich im Studium lernen. Da gibt es eine Sprachform für den Zustand zwischen aktiv und passiv. Die Sprachform heißt das Medial. Es liegt zwischen dem aktiven „Ich tanke“ und dem passiven „Ich werde betankt“. Das entspricht meiner Erfahrung: Ich empfange Kraft. Ich bin an etwas beteiligt, das mir widerfährt.

Woher kriege ich also Kraft?

Woher kriege ich also Kraft? Inzwischen beschreibe ich es so: Es hat etwas damit zu tun, offen zu sein. Empfangsbereit. Offen für neue Wahrnehmungen und Kraft. Ein Beter in der Bibel beschreibt das so: Ich blicke auf von dem, was um einen herum ist. Er sagt es so: „Ich hebe meine Augen auf zu den Bergen. Von wo kommt mir Hilfe?“ Die Antwort: „Meine Hilfe kommt vom Herrn, der Himmel und Erde geschaffen hat.“ (Psalm 121, 1)  So auf Empfang werde ich in diesem Sommer ausschauen, von wo mir Kraft und Hilfe kommt.

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