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Am Speckstein gedreht

Am Speckstein gedreht

Ein Beitrag von Alrun Kopelke-Sylla, Pfarrerin, Echzell

Susanne hat als Kind gern viele spannende Sachen ausprobiert, immer wieder was Neues. Besonders gern probierte sie Basteleien und allerhand Kreatives. Susannes Eltern haben ihre Tochter eher als sprunghaft erlebt. „Du machst deine Sachen nie fertig“ – diesen Satz hat Susanne sehr oft zu hören gekriegt. Das konnte sich auf Schulaufgaben beziehen, auf kreative Dinge oder besonders gern auf Hausarbeit. Das war nervig, aber auch ein bisschen ein Ansporn.

Susanne wurde größer und lernte, Dinge fertig zu machen. Studium, Ausbildung, Arbeit, die Hobbys. Mit Anfang 30 kaufte sie sich mal einen Speckstein, weil sie das ausprobieren wollte: mal gestalterisch, bildhauerisch am Stein was zu machen. Aber mit dem Speckstein kam sie nicht klar, sägen und feilen, irgendwie nahm das Ding keine Form an. Sie stöhnte darüber, fluchte, und jammerte einer Freundin am Telefon was darüber vor. Und irgendwann sagte die Freundin: „Mal ehrlich, Susanne: Was hindert Dich, diesen Speckstein einfach wegzuwerfen?“

Susanne musste schlucken. Wenn sie damit aufhört und das teure Material wegtut, dann hat sie wieder was nicht fertig gemacht. Du machst Deine Sachen nie fertig! Die innere Stimme war wie ein Richtspruch über sie selbst.

Jesus von Nazareth hat gesagt: Richtet nicht. Das bezieht sich auch auf mich selbst. Manchmal fällen wir sehr harte Urteile über uns. Und manchmal übernehmen wir die Urteile unserer Eltern. Heute weiß Susanne, dass sie auch einfach mal was ausprobieren kann, und wenn es keinen Spaß macht, dann lässt sie es halt. Sie hat lange gebraucht, um von dem Selbst-Urteil wegzukommen. Was ihr fehlte, war die Barmherzigkeit. Das steht nämlich auch in den Worten Jesu: Richtet nicht, urteilt nicht. Seid barmherzig. Die Barmherzigkeit öffnet uns den Blick, weg vom reinen Urteil hin zu einem ausgewogenen Bild, auch von mir selbst.

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