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Bitte nicht aufbrezeln

Bitte nicht aufbrezeln

Dr. Joachim Schmidt
Ein Beitrag von Dr. Joachim Schmidt, Evangelischer Pfarrer, Darmstadt

Es war einmal ein Sahnebonbon, das warb damit, etwas ganz Besonderes zu sein. Es schmeckte zwar genau wie alle anderen Sahnebonbons auch, aber das störte nicht. Wer es lutschte, sollte sich einzigartig fühlen. Im Fernsehen gab es da einen Großvater, der sagte, er habe als Kind das Bonbon auch schon gelutscht, und nun gebe er es seiner süßen Enkelin, weil die auch etwas ganz Besonderes sei. Und weil ganz viele Liebhaber von Sahnebonbons auch ganz besonders sein wollten, wurde die Sache erst mal ein dicker Verkaufserfolg. Niemanden störte, dass die Einzigartigkeit des Bonbons im gleichen Maße abnahm, wie die Verkaufszahlen stiegen.

Etwa zur gleichen Zeit entdeckten viele andere für den gleichen Effekt ein neues Wort. Das Wort hieß „exklusiv“. Das heißt eigentlich „ausschließlich“. Es galt bis da-hin zum Beispiel für Clubs, in denen die richtig Reichen und Schönen ausschließlich unter sich bleiben wollten, für unbezahlbare Wohnviertel oder für sündhaft teure Restaurants.

Aber auf einmal war das Wort exklusiv überhaupt nicht mehr exklusiv. Es erschien überall: Bei Veranstaltern von Billigreisen, im Prospekt des Möbelgiganten mit riesi-ger Serienfertigung und beim Discounter. Besonders gerne vor hohen Feiertagen, wenn in großen Mengen Hummerschwänze und Trüffelbutter unters Volk geworfen wurden.

Tief drin in jedem Menschen steckt die Suche nach dem Exklusiven, nach dem Be-sonderen. Dahinter wohl auch die Überzeugung selbst etwas ganz Besonderes zu sein. Aus christlicher Sicht ist das ja sogar richtig: Jeder Mensch ist wirklich einzigartig. So wie er ist, hat Gott ihn gewollt. Mit seinem Charakter, seinen Talenten, seinen Fehlern. Und deshalb braucht sich niemand exklusiv aufzubrezeln. Nicht mit einem dünnen Portemonnaie und schon gar nicht mit einem dicken.

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