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Respekt vor Dingen

Respekt vor Dingen

Ein Beitrag von Alrun Kopelke-Sylla, Pfarrerin, Echzell

Meine Eltern wohnen noch immer in dem großen Haus, in dem wir alle aufgewachsen sind. Die Zimmer haben sie inzwischen anders belegt. Einige Möbelstücke sind dazugekommen, geerbt von Verwandten, aber auch viele Bücher,  kleine und große Erinnerungsstücke. Im Bücherregal stehen vor den vielen Büchern Figuren und Mitbringsel von vielen Reisen: aus Südamerika, Afrika und Neuseeland, aber auch aus dem Erzgebirge und Tirol. An den Wänden besondere Teller, Fotos, Aquarelle, die meine Großmutter malte. Manchmal kommt mir das große Haus eigentümlich klein vor, weil es so voll ist. Früher lebten komfortabel 7 Menschen dort. Jetzt sind nur noch die Eltern übrig, und sie füllen das Haus mit all‘ ihren Sachen auch zu zweit. „Schmeiß doch auch mal was weg!“ sage ich zu meiner Mutter. „Das tu ich ja, entgegnet sie.“ „Aber ich habe zu viel Not erlebt in meinem Leben. Es gibt so viele Dinge, die noch Wert haben. Ich kann sie nicht einfach wegschmeißen.“

Ja, das kann ich verstehen. Aber was dann? Wohin mit all‘ den Sachen, die zu viel werden? Manchmal gibt mir meine Mutter was mit – ein Buch, das sie gelesen hat und nicht mehr lesen wird. Aber wirklich leerer wird das Haus nicht.

Als ich mal wieder dort war, standen auf dem Esstisch einige alte Sachen: Eine Schüssel, ein Briefständer, ein Zettelkasten, alles aus altem, dunklem Kunststoff und nicht wirklich schön. „Was willst Du mit dem ollen Plastik?“ frage ich meine Mutter. „Das ist kein Plastik“ entgegnet sie, „sondern Bakelit, der erste Kunststoff, den man industriell verarbeiten konnte. Wir nehmen das am Wochenende mit nach Kierspe in Westfalen, da gibt’s ein Bakelit-Museum“.

„Und das da“, sagt mein Vater und deutet in die Ecke, „kommt ins Radio-Museum. Funktioniert noch einwandfrei.“ Da in der Ecke steht das alte Radio aus den 60ern, und ein Stereo-Tonbandgerät. Das beeindruckt mich. Meine Eltern, die als Kriegsgeneration aufgewachsen sind, lange vor der Wegwerf-Gesellschaft, lehren mich einen anderen Blick auf die Dinge. Sie haben Respekt vor Gegenständen, auch wenn sie im Alltag niemand mehr gebrauchen möchte. In das alte Radio verliebe ich mich spontan und nehme es mit. Und noch was nehme ich mit: Die Schöpfung bewahren -  das geht auf vielerlei Weise.

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