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Zusammenbruch
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Zusammenbruch

Gudrun Olschewski
Ein Beitrag von Gudrun Olschewski, Evangelische Pfarrerin, Pfungstadt

Von einer Minute auf die andere ist alles anders. Der Mann, Anfang fünfzig, ist zusammengebrochen. Klar, schon immer hat er viel gearbeitet und auch Erfolg damit gehabt. Mit Blaulicht wird er ins Krankenhaus gebracht.

Auf einmal hat er ganz viel von dem, was ihm bisher immer fehlte: Zeit. Zeit – für Fragen, die er sonst immer vor sich herschob oder verdrängte. „Die Arbeit geht vor“, war seine Devise, solange er denken kann. Schlagartig wird ihm bewusst: Schon seit längerem bin ich unzufrieden mit mir, bin genervt von der Familie und lustlos bei der Arbeit.

Er war so ausgelaugt, dass er sich selbst in seiner wenigen Freizeit zu nichts mehr aufraffen konnte. „Bringt ja eh‘ alles nichts“, sagte er sich schon seit geraumer Zeit. Leerlauf und Unlust wurden immer größer: Nur selten machte ihm etwas noch richtig Spaß.

Das ist jetzt die Quittung: Nichts geht mehr. Wahllos blättert er im Krankenhaus in dem Buch, das seine Frau ihm mitgebracht hat. „Zur Erinnerung an die Trauung“, liest er. Wie viele Jahre das schon her ist. Hat er jemals in seiner Traubibel geblättert? Er kann sich jedenfalls nicht daran erinnern. Irgendwann bleiben seine Augen an einem Satz hängen. „Männer werden müde und matt“, liest er und weiter: „Die auf Gott vertrauen, kriegen neue Kraft, dass sie laufen und nicht matt werden“. „Schön wäre das, wenn ich da raus käme, raus aus meiner Müdigkeit“, denkt er, „Gottvertrauen wäre auch gut.“

Es wird eine lange Nacht, in der er vieles mit sich selbst bespricht und in Frage stellt. Als seine Frau am nächsten Tag zu Besuch kommt, weiß er eines ganz genau und begrüßt sie mit den Worten: „Es lohnt sich, mein Leben noch einmal ganz neu anzufangen – mit dir“.

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