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Halleluja-Flashmob

Halleluja-Flashmob

Martin Vorländer
Ein Beitrag von Martin Vorländer, Evangelischer Pfarrer und Senderbeauftragter für den DLF, Frankfurt

Ich schiebe mich durch die Menschenmenge in einem Einkaufszentrum. Ich habe beide Hände voll mit Tüten und bin erschöpft vom Weihnachtsgeschenke-Einkaufen. Ich schleppe mich zur Cafeteria, finde einen freien Stuhl und sinke nieder. Die Frau gegenüber will gleich ein Gespräch anfangen: „Lecker, dieser Latte macchiato. Tut gut bei dem Wetter.“ Ich nicke. Das Kind am Nachbartisch holt tief Luft für eine Schreiattacke. Im Rücken spüre ich die Bässe aus dem i-Pod eines Jugendlichen hinter mir. Ich denke: „Jetzt nur nicht die Nerven verlieren.“

Eine junge Frau steht auf, das Handy am Ohr. Doch statt zu telefonieren, singt sie: „Halleluja!“ Und noch mal: „Halleluja! Halleluja!“ Der junge Mann im Kapuzen-Sweatshirt, der eben noch ins Gespräch mit seiner Freundin vertieft war, springt auf seinen Stuhl und fällt mit Tenorstimme ein: „Halleluja, Halleluja!“ Hinten am Bankautomat, der ältere Mann und die Frau singen: „Der in allem mächtige Gott regiert. Halleluja!“ Der Putzmann schwenkt sein Schild „Vorsicht, frisch gewischt“ und schmettert: „Das Reich dieser Welt ist das Reich Gottes geworden.“

Die halbe Cafeteria ist auf den Beinen und singt Halleluja. Die andere Hälfte der Leute staunt einfach nur. Eine Frau wischt sich eine Träne aus dem Augenwinkel. Die Mutter des Schreikindes fasst nach der Hand ihres Kleinen. Das hat ganz vergessen zu weinen. „Das Reich dieser Welt ist das Reich Gottes geworden.“ Das Einkaufszentrum ist erfüllt von Gesang.

Halleluja-Flashmob nennt sich die Aktion. Menschen verabreden sich, um am Bahnhof oder eben im Einkaufszentrum zu singen. Nicht als fein aufgestellter Chor, sondern aus dem Getriebe der Leute heraus. Und ich mittendrin in diesem Halleluja-Flashmob denke: Das ist, als käme für ein paar Minuten der Himmel auf die Erde. Das lässt das Einkaufszentrum und die Leute um mich ganz anders aussehen. Wenn der Himmel auf die Erde kommt, dann ist es um die Erde vielleicht doch nicht so schlecht bestellt. Und um uns auch nicht.

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