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Der eigene Sarg zum Selbermachen

Der eigene Sarg zum Selbermachen

Ein Beitrag von Helwig Wegner-Nord, Evangelischer Pfarrer, Frankfurt

Es gibt Menschen, die lieben den Kampf mit vorgefertigten Brettern, Inbusschlüsseln und mehrseitigen, wortlosen Anleitungen. Für sie ist das eine immer neue Herausforderung „Ich schaffe das!“ Ikea, das schwedische Möbelhaus, hat es in Jahrzehnten geschafft, dass die Menschen eine andere Beziehung zu den Möbeln ihrer Wohnung entwickelt haben. Nicht nur, dass Schänke und Sessel Namen bekommen haben und nun Ivar oder Billy heißen. Durchs Zusammenbauen wird mir das Stück, das unter meinen Händen peu à peu entsteht, vertrauter. Es wird: Meins.

Vielleicht war das vor ein paar Monaten die zündende Idee für Heribert Schwab. Der lebt in einem Ortsteil von Rodgau und hat sich gesagt: so, wie man ein Ikearegal zusammenschrauben kann, so sollte man auch seinen Sarg zusammenbauen können. Klingt vielleicht skurril und irgendwie nicht besonders pietätvoll – nach ein paar Minuten Nachdenken habe ich dieser Idee aber etwas abgewinnen können.

Bei Heribert Schwab kann man den Sarg als Bausatz für günstige 199 Euro bestellen. Wenn ich einen Akkuschrauber bedienen kann, habe ich dann meinen schlichten Sarg aus Fichtenleimholz in weniger als einer Stunde zusammengezimmert. Und ganz wie bei dem schwedischen Möbelhaus hat auch der Selbstbausarg einen Namen: er ist nach dem Papst benannt, von dem Heribert Schwab wissen will, dass der auch in einem eher schlichten Sarg beigesetzt worden sein soll, und heißt nach dem Willen seines Konstrukteurs darum „Johannes XXIII“.

Der Sarg im Haus – sagt Heribert Schwab – kann vor der finalen Benutzung gerne anderen Zwecken zugeführt werden: Hochkant aufgerichtet als Schuh – oder Wäscheschrank etwa. Auf Wunsch werden Zierleisten (gegen Aufpreis) mitgeliefert und auch (ebenfalls gegen Aufpreis) eine der 200 Farben, die zur Auswahl vorgehalten werden.

Wer sich auf diese Idee einlässt und besagten Bausatz kauft, wer dann seinen selbst gezimmerten 200-Euro-Sarg in der Wohnung stehen hat und wofür auch immer schon zu Lebzeiten nutzt, gewinnt möglicherweise wirklich ein anderes Verhältnis zu diesem Möbel und seiner letzten Bestimmung und auch zum eigenen Tod.

Zu wissen, dass mein Leben begrenzt ist, schützt mich davor, hybride, größenwahnsinnig zu werden. Der Sarg, in den man mich mal legen wird, ruft mich zurück und sagt das, was Menschen über Jahrhunderte einander zugerufen haben: Memento mori! Memento moriendum esse! Der lateinische Satz heißt: denke daran, dass du sterben wirst.

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