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Im Trubel ganz bei mir

Im Trubel ganz bei mir

Dr. Peter Kristen
Ein Beitrag von Dr. Peter Kristen, Evangelischer Pfarrer und Studienleiter, Religionspädagogisches Institut Darmstadt

Von wegen Alte Herren. Eine der schillerndsten Persönlichkeiten des deutschen Sports, Franz Beckenbauer, der „Fußballkaiser“ wird heute 70. Eine Zeitung schreibt: „Keiner sonst hatte diese Mischung aus Klasse, Modernität, Pragmatismus und Glück…. Ihm flog alles zu. Verträge, Posten, Huldigungen, Ehen.“

Ja, er hat es geschafft. Knapp zehn Jahre Fußballer der Extraklasse, Weltmeister als Spieler und Teamchef. Auch finanziell muss sich der Wahlösterreicher keine Sorgen machen. Dank des Fernsehens und seiner Werbeverträge gehört der Kaiser zu den reichsten Deutschen.

Vor dem Fernseher hab ich damals seine zweite Krönung verfolgt, wie es hieß, das Endspiel der WM 1990 in Rom: 70.000 Zuschauer im Stadion, nur der Mond und ein paar Scheinwerfer beleuchten den Jubel. Deutschland hat Diego Maradona und die Argentinier besiegt, die Mannschaft läuft mit dem Pokal Ehrenrunden. Alle feiern – einer steht abseits. Franz Beckenbauer. Für sich alleine läuft er langsam im Mittelkreis, scheinbar gedankenversunken.

Einem Kameramann muss die Szene aufgefallen sein: „Franz in der Mitte“. Ein Fernsehmitarbeiter macht den Kommentator auf den Teamchef Franz Beckenbauer aufmerksam, der sich vom Jubel abgewandt hat. Die Kamera schwenkt und zeigt ihn in Großaufnahme: Helle Hose, dunkler Blazer, die Hände in den Taschen, um den Hals am Band in den italienischen Nationalfarben die Medaille des Weltmeisters.

„Mutterseelenallein“, reagiert der Kommentator Gerd Rubenbauer. „Das sind die Momente wohl …jetzt, (…) schauen Sie sich das an….“ Co-Kommentator Karl Heinz Rummenigge vermutet: „So etwas wie Wehmut“, weil es ja sein letztes Spiel als Teamchef war. „Das sind die Momente“ … Mitten im Weltmeisterschaftsjubel haben viele den besonderen Moment bemerkt: Wohl weil sie es so ähnlich auch von sich selbst kennen.

Man hat lange auf etwas hingearbeitet, alle Kraft und viel Zeit dafür gegeben. Man hat gespürt: Ja, wir können es schaffen. Und dann ist es auf einmal wirklich so. Die Anstrengung, die Erschöpfung, das Glück, die Wehmut, die Dankbarkeit – all das ballt sich in einem Moment zusammen. In solchen Augenblicken kann man ganz bei sich sein und zugleich ganz bei anderen. Die Gedanken und Gefühle führen dann tief hinein in die Seele und werden manchmal – mitten im Trubel – zum Gebet. Ich weiß nicht, ob das bei Franz Beckenbauer so war. Aber so kenne ich das. In Momenten wie diesen wünscht man sich Unendlichkeit.

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