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Menschen sind nicht genormt

Menschen sind nicht genormt

Ein Beitrag von Helwig Wegner-Nord, Evangelischer Pfarrer, Frankfurt

Zuerst habe ich meinen Augen nicht getraut: da sitzt ein Mensch ohne Arme und ohne Beine auf einem Tisch und hält eine bewegende Rede. Spricht vor großem Publikum über sein Leben, über sein Leben ohne Arme und Beine. Er tut das ohne großes Pathos, spricht mal mit Humor über sich und dann wieder ganz ernst, erzählt davon wie verzweifelt er war und woher seine Stärke kommt. Er erklärt, wie er seinen Alltag meistert. Er hält Vorträge zum Thema Behinderung, zum Thema Hoffnung und Liebe und Glaube. Seine Botschaft heißt: „Wenn du kein Wunder erlebst, kannst du trotzdem eins für andere sein“

Nick Vujicic heißt der Mann. Er ist 1982 in Australien geboren, eben mit dieser selten vorkommenden Fehlbildung, dem Tetra-Amelie-Syndrom.

Als er acht Jahre ist, versucht er sich umzubringen. Was war das für ein Leben ohne die Gliedmaßen, mit denen andere Menschen alles machen: Laufen und springen, stehen, greifen und fassen und jemanden umarmen. Aber er bringt es nicht fertig, sich das Leben zu nehmen. Er stellt sich vor, was sein Tod für seine Eltern bedeuten würde. Wie sie sich Vorwürfe machen würden, dass sie nicht genug für ihn getan hätten, um ihn von diesem Schritt abzuhalten. Er versucht nie wieder, sich das Leben zu nehmen. Sondern sagt sich: „Ich habe die Wahl, entweder wütend auf Gott zu sein für das, was ich nicht habe, oder dankbar für das, was ich habe.“

Menschen sind nicht genormt. Richard von Weizsäcker, der frühere deutsche Bundespräsident, hat einmal gesagt: „Es ist normal verschieden zu sein.“ Dieser Satz ist inzwischen zu einem Leitsatz der Inklusion geworden. Menschen mit Behinderungen stammen nicht aus der ‚Montagsproduktion‘ der Schöpfung. Es ist normal verschieden zu sein – Richard von Weizsäcker folgert daraus: „Dass Behinderung nur als Verschiedenheit aufgefasst wird, das ist ein Ziel, um das es uns gehen muss.“

Behinderung nur als Verschiedenheit verstehen: bei Nick Vujicic sehe ich, dass sich das lohnt. Er ist so verschieden, so anders als die Mehrheit der Menschen – aber ihn zu hören und zu erleben und von ihm zu lernen, das kann alle bereichern.

Ich bin ihm vor allem für einen Satz dankbar. Er hat ihn in einem Interview gesagt und ich muss immer wieder daran denken. Nick sagt: „Ich habe erkannt, dass Gott dich heilen kann, ohne die Umstände zu ändern.“

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