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Der Seele eine Pause gönnen

Der Seele eine Pause gönnen

Dr. Peter Kristen
Ein Beitrag von Dr. Peter Kristen, Evangelischer Pfarrer und Studienleiter, Religionspädagogisches Institut Darmstadt

Vor 60 Jahren ist in Frankfurt ein Amt mit einem seltsamen Namen eröffnet worden: das „Zentralamt für Selbstwählferndienst“. Von da an konnten Telefonbesitzer ihre schwarzen Apparate mit Gabel und Hörer selbst bedienen: Den Zeigefinger in die richtige Aussparung der runden Wählscheibe und drehen, langsam, sorgfältig und immer bis zum Anschlag.

Und wie war das vorher? Meine Mutter hat als junge Frau als „Drahtamsel“ gearbeitet. So hat man damals das „Fräulein vom Amt“ genannt, das die Telefonverbindungen von Hand hergestellt hat.

Sie erzählt: Bei der Arbeit hat sie an einem langen Tisch in einer Reihe mit Kolleginnen gesessen, Stift in der Hand, Kopfhörer. Wenn eins der Lichtchen vor ihr geleuchtet hat, hat sie den Hebel umgelegt und gesagt: „Fernamt Friedberg Platz 12.“ Der Teilnehmer sagte ihr eine Stadt und eine Nummer. Begleitet immer vom Sprachdurcheinander der Kolleginnen. Meine Mutter hat dann den Stöpsel in die richtige Buchse gesteckt. Wenn eine Verbindung zustande kam, stöpselte sie die Gesprächspartner zusammen. Wenn nicht, schrieb sie den Verbindungswunsch auf ihre Liste und sagte: „Wir rufen wieder an.“

Drahtamseln und Wählscheiben sind Vergangenheit. Irgendwie ist das aber auch schade. Jetzt fehlt was. Es ist schon toll und für viele selbstverständlich, immer erreichbar zu sein, überall,und gleich selbst dran zu sein, wenn mich jemand sprechen will. Aber es fehlen die Pausen, die die Drahtamseln, die Fräuleins vom Amt geschaffen haben. Jetzt muss wohl jeder selbst für Pausen sorgen. Ich mach das so: Den alten, schwarzen Telefonapparat von meiner Mutter, bei dem man den Hörer noch richtig auf die Gabel „auflegen“ kann, habe ich mir ins Regal gestellt.

Das Kabel mit dem Stecker liegt zusammengerollt daneben. Ausgestöpselt. Manchmal fällt mein Blick darauf, dann mache ich eine kleine Pause und denke an den Vers aus einem Psalm: „Komm wieder zur Ruhe meine Seele, den Gott hat dir Gutes getan“ (Psalm 116,7). Danach stöpsele ich mich frischer und lächelnd wieder ein ins Alltagsgeschäft.

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