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Vom doppelten Boden beim Erwachsenwerden
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Vom doppelten Boden beim Erwachsenwerden

Dr. Peter Kristen
Ein Beitrag von Dr. Peter Kristen, Evangelischer Pfarrer und Studienleiter, Religionspädagogisches Institut Darmstadt

Am Ende des Schultages holt eine Mutter ihre Tochter bei Frau Grün ab, der Schulsozialarbeiterin. Sie sagt: „Das ist wunderbar, dass es Sie an der Schule gibt, ich weiß gar nicht, was ich ohne Sie gemacht hätte.“ Im Englischunterricht hatte Ronja, ich nenne sie mal so, laut zu weinen angefangen. Sie war dann in Frau Grüns Büro geflüchtet. Zu peinlich waren ihr die Tränen, zu groß ihr Kloß im Hals. Der Lehrer hat sie gehen lassen. Da sind ja noch siebenundzwanzig andere Schüler, die er beaufsichtigen muss und unterrichten.

Frau Grün schließt die Tür und Ronja erzählt: Sie hat die ganze Nacht geweint, weil ihre Eltern sich so laut gestritten haben. Wollen die sich etwa trennen? Was soll denn dann aus ihr werden? Sie kann auch jetzt nicht nach Hause und macht sich Sorgen, was die Klasse sagt zu ihrem Weinen. Frau Grün tröstet Ronja, hört ihr lange zu und findet mit ihr einen Weg, wie das alles einen guten Schritt vorangehen kann, trotz allem.

Ich kenne sie gut, denn als Schulseelsorger arbeite ich seit Jahren mit ihr Hand in Hand. Unser Schulleiter sagt: Die Schulsozialarbeit aus anderen Mitteln zu bezahlen, das schafft die Schule nicht alleine, weil sie dann kürzen müsste bei Fortbildungen, Schulbüchern oder da, wo sie sich in einer Stufe kleinere Klassen leistet, Auch er erlebt: Kinder erziehen, das wird immer mehr auch zu einer Aufgabe der Schule, darum ist die Schulsozialarbeit unverzichtbar.

Als Schulseelsorger weiß ich: Kinder und Jugendliche werden nur im guten Sinn gebildet und lebenstüchtig, wenn sie als ganze Menschen gesehen werden, mit Geist, Leib und Seele. Deshalb geht es in der Schulzeit nicht nur um die Wissensvermittlung. Wer Physik abgibt oder eine Wahl-Sprache, kann das später nachholen, wenn er will. Die Persönlichkeitsentwicklung kann man viel schwerer nachholen. Schülerinnen und Schüler brauchen dazu Vertrauen, Sicherheit und Verlässlichkeit. Da tut es gut, zu wissen, wohin man sich wenden kann, wenn es schwierig wird, zuhause oder in der Klasse. Wer auf diesem Weg allzu lange alleingelassen wird, kann das manchmal im Leben nicht nachholen.

Ich finde es gut, dass die Schulsozialarbeit sicher finanziert werden soll. Was wirklich zählt für mich: Bei den Kindern muss nicht weniger ankommen, sondern mehr.

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